Überlegungen zur Automatisierung und zur Effizienzsteigerung spielen heute im Produktdesign eine wesentliche Rolle – vor allem auch in der Automobilbranche. Ein zentraler Bereich jedes Fahrzeugs, der Ventiltrieb, widersetzt sich allerdings durch seine Komplexität solchen Rationalisierungsbestrebungen. Das Maximum an Vereinfachung war bisher der simultane Einbau von zwei Nockenwellen einschließlich Lagerbrücken. Ein Automobilzulieferer hat jetzt die bewährte Idee der gebauten Nockenwelle weiterverfolgt und ein Verfahren entwickelt, mit dem sich ein gesamtes Ventiltriebsystem in einem einzigen Vorgang fügen lässt.
Die Autorin Christine Gaßel ist als freie Fachjournalistin in München tätig
Dadurch entstehen vollständige Module samt Lagerrahmen und Zusatzsystemen, die sich als komplette Baugruppe im Fahrzeug montieren lassen. Zusätzlich ermöglicht diese Technik die Verwendung von einteiligen Lagern, was die Reibungseigenschaften und damit die CO2-Werte des Fahrzeugs verbessert. Protoypen des sogenannten NT Modulcam sind bereits im Test.
Spezielles Fügeverfahren erzeugt Längspressverband bei Raumtemperatur
Basis für das Ventiltriebmodul ist ein spezielles Fügeverfahren von Neumayer Tekfor, mit dem bei Raumtemperatur ein Längspressverband erzeugt werden kann. Dazu werden zunächst der Aluminium-Lagerrahmen und die weiteren Komponenten im eigens entwickelten Fertigungswerkzeug positioniert und danach das Wellenrohr durch den bestehenden Aufbau geschoben. Erst dann werden die Bauteile gefügt. Da sich die wirkenden Kräfte bei dieser Methode rein im elastischen Bereich der Materialien bewegen und es gegenüber anderen Verfahren nicht zu einer plastischen Verformung kommt, können dabei vollständig bearbeitete Komponenten eingebaut werden.
Dies erleichtert zum einen die effiziente Herstellung der Bauteile selbst, denn so lassen sich beispielsweise die Nocken einfach im Paket schleifen. Da mit dem zylindrischen Pressverband bereits eine ausreichende Überdeckung für einen dauerhaft stabilen Sitz der gefügten Teile erreicht wird, ist auch eine Profilierung des Innendurchmessers der Nocken – wie sie bei anderen Fertigungsansätzen verwendet wird – nicht nötig. Zum anderen muss das Werkstück im zusammengebauten Zustand nicht mehr nachbearbeitet werden, was sonst zu Verschmutzungen oder sogar zu Funktionsbeeinträchtigungen der Komponenten führen könnte.
Kaltfügen erlaubt auch einteilige Konstruktionen und höherfeste Werkstoffe
Ein weiterer Vorteil ist, dass Rahmen und Lager auf diese Weise nicht nachträglich um die Nockenwellen herumgebaut werden müssen. Stattdessen lassen sich hier einteilige Komponenten verwenden, was neue Konstruktionsoptionen eröffnet und die Leistung verbessert. Während beispielsweise bei herkömmlichen Lagern an den Trennebenen der Ölfilm abreißen kann, wird dies durch die verbauten einteiligen Lager vermieden und dadurch die Reibung der Welle verringert. Das wiederum wirkt sich positiv auf den Gesamtverbrauch und damit auch auf den CO2-Ausstoß aus.
Da der Fügevorgang bei Raumtemperatur stattfindet, werden Werkstoffveränderungen, die sich etwa beim thermischen Fügen bilden können, vermieden. Dies spart nicht nur die Energiekosten für das Abkühlen oder Erwärmen, auch die sonst üblichen Härterestriktionen für das verwendete Material müssen nicht beachtet werden, wodurch sich stabilere Stoffe verbauen lassen. Bewährt hat sich diese Technik bereits bei der NT Camshaft, einer gebauten Nockenwelle, die dadurch etwa 36 % leichter gestaltet und mit einem reibungsarmen einteiligen Wälzlager versehen werden konnte. Die Fügung des gesamten Ventiltriebs als eine Einheit ist eine Weiterentwicklung des dafür geschaffenen Konzepts.
Vollständiges Ventiltriebsystem einschließlich Versteller und Aktorik
Die Aufpresskräfte – und damit auch das Losbrechmoment – werden bei der Fertigung des NT Modulcam während des gesamten Fügeprozesses vollständig überwacht. Um trotz der beengten Platzverhältnisse zwischen den im Werkzeug aufgebauten Komponenten die dazu nötigen Werte erfassen zu können, wird an allen relevanten Stellen eine spezielle Messmimik eingesetzt. Die zu jeder gefügten Welle erhobenen Daten werden in einem Data-Matrix-Code dokumentiert und sind so jederzeit nachverfolgbar.
Durch diese lückenlose Kraft-Weg-Überwachung und da keine thermische Energie in den Werkstoff eingetragen wird, muss zudem der Durchmesser der Nocken nicht zu einhundert Prozent kontrolliert werden. Bei der Ausrichtung des Rahmens und der weiteren Komponenten in der Fertigungsanlage sind dagegen engste Toleranzen einzuhalten. Dies wird zum einen durch die vollständige Vorbearbeitung der Bauteile und zum anderen durch das eigens dafür entwickelte Werkzeug erreicht.
Geeignet ist das NT Modulcam für zwei bis vier Zylinder in Reihe sowie für V6- und V8-Motoren. Der einbaufertige Ventiltrieb umfasst neben dem Lagerrahmen aus Aluminium-Druckguss und ein oder zwei Nockenwellen je nach Anforderung auch weitere Anbauteile und Zusatzsysteme, wie Nockenwellenversteller, Ölabscheider oder die Aktorik. Da diese verschiedenen Bausteine nicht wie üblich einzeln montiert werden müssen, reduziert sich die Montagezeit mit dem Modul um mindestens 50 %. Darüber hinaus lässt sich der Ventiltrieb durch die Bauweise als einheitlicher Block leichter in automatisierte Fertigungsabläufe einbinden.
Neumayer Tekfor, Tel.: 07831 808-0, E-Mail: info@neumayer-tekfor.com
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