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Totgesagte leben länger

Downsizing-Strategie reduziert Verbrauch und CO2-Emission von Otto-Motoren deutlich
Totgesagte leben länger

Neue Motorenbaureihen von Ford oder Volkswagen bauen im Rahmen von Downsizing-Strategien bei gleichbleibender Leistung wesentlich kleiner als ihre Vorgänger und reduzieren Verbrauch und CO2-Emission deutlich. Wichtige Kriterien sind dabei Turboaufladung und Direkteinspritzung.

Der Autor Dr. Rolf Langbein ist freier Mitarbeiter der AutomobilKONSTRUKTION

Explodierende Treibstoffpreise und die Umweltpolitik hatten in den letzten Jahren das Thema E-Mobilität mit Priorität versehen. Durch hohen Verbrauch und starke Umweltbelastung schien der in die Jahre gekommene Verbrennungsmotor ins Abseits zu geraten. Doch mit innovativen Konzepten bieten jetzt Forscher und Entwickler in der Automobil- und Zulieferindustrie diesem Trend Paroli. „Downsizing“ wird zum Leitbegriff der Entwicklungsarbeiten, hinter dem sich eine Reihe unterschiedlicher Maßnahmen verbirgt, mit denen Verbrauch und CO2-Emission deutlich reduziert werden. Dazu zählen unter anderem die Reduzierung der Zylinder und des Hubraums sowie Turboaufladung und Direkteinspritzung.
Nach diesem Downsizing-Prinzip hat auch Ford die neue EcoBoost-Baureihe seiner Viertakt-Ottomotoren entwickelt. „Unter EcoBoost verstehen wir die Kombination von Turboaufladung, Direkteinspritzung und variabler Ventilsteuerung“, erklärt Dr. Andreas Schamel, Geschäftsführer beim Ford Forschungszentrum in Aachen. „Ein weiteres wichtiges Element ist die erhebliche Rechenleistung, die heute in Motor-Steuerelementen benötigt wird, um die drei vorgenannten Elemente optimal zusammenarbeiten zu lassen“, ergänzt der seit Anfang Oktober erste in Europa ansässige Director of Global Powertrain, Research and Advanced Engineering von Ford. Er sehe aber auch, dass sich diese Regelungsentwicklung durch ständig wachsenden Aufwand zu einem bremsenden Faktor beim Fortschritt entwickle.
Der neue 1-Liter-Dreizylinder-Motor, 2012 erstmals auf den Markt gebracht, ist der hubraumkleinste Motor in der Ford-EcoBoost-Baureihe. Mit einer Leistung von 92 kW (125 PS) ist er so leistungsstark wie der bisherige 1,6-Liter-Vierzylinder-Motor bei einem Verbrauch von nur 5,0 l/100 km und einer CO2-Emission von 114 g/km. Dr. Schamel betont: „Dieser Motor hat eine komplett neue Architektur und erweitert das Ford-Portfolio nach unten.“
Üblicherweise erzeugt das Aufladen von Benzinmotoren eine höhere Klopfempfindlichkeit, was ein Absenken des Kompressionsverhältnisses erfordert. Das tue dem Verbrauch nicht gut, weiß der Entwicklungschef. Wird nun der Kraftstoff in den Verbrennungsraum eingespritzt – bei den entsprechenden Betriebspunkten auch ausreichend spät – wird der kühlende Effekt der Verdampfung des Kraftstoffes genutzt. „So können wir die aufgrund der Aufladung erhöhte Klopfempfindlichkeit kompensieren und das Kompressionsverhältnis hoch halten“, erklärt Dr. Schamel.
Auch das Thema Turboloch beim Turbolader – das verzögerte Ansprechverhalten beim Anfahren – haben die Kölner mit ihrer neuen Technologie weitgehend überwunden. Durch Direkteinspritzung zusammen mit der variablen Nockenwellenverstellung bringen sie den Turbo schneller auf Drehzahlen und spülen den Brennraum mit Luft. „Das wird möglich“, sagt Dr. Schamel, „weil wir in der Lage sind, die Einspritzung so lange zurückzuhalten, bis der Spülvorgang abgeschlossen ist.“ Im Gegensatz dazu werde bei einem herkömmlichen Saugrohreinspritzer unverbrannter Kraftstoff zum Abgassystem rausgeschoben. Die Direkteinspritzung ermögliche es, das Abgassystem schneller warm zu fahren und sie erziele auch insgesamt eine höhere Leistungsdichte.
„Es kommen viele Faktoren zusammen, die es mir ermöglichen, mit den drei angesprochenen Komponenten die Nachteile eines traditionellen Turbos zu kompensieren“, so sein Fazit. Einen Kompressor als Ersatz für den Turbo hält er konzeptionell für problematisch. So müsse die Antriebsenergie des Kompressors von der Kurbelwelle abgegriffen werden. „Damit hätte ich zusätzlich parasitäre Verluste, mit denen ich den Motor belaste“, gibt er zu bedenken. „Und damit mache ich einen Teil meiner Downsizing-/Downspeeding-Verbrauchsvorteile kaputt.“ Bei einem Turbo nutze man ansonsten ungenutzte Abgaswärme, Abgasenthalpie, um den Turbo anzutreiben und ansonsten ungenutzte Verluste zu rekuperieren. „So helfe ich dem Verbraucher, anstatt ihm zusätzliche Nachteile aufzuhalsen“, betont Dr. Schamel.
Einen schönen Nebeneffekt hat er im Vergleich Dreizylinder zu Vierzylinder ausgemacht: „Ich habe beim Dreizylinder die perfekte Zünd- und Abgasimpulsfolge, um den Turbo möglichst gut anspringen zu lassen.“ Auf die Diskussion um die Lebensdauer dieses Motors angesprochen, kontert Dr. Schamel: „Das ist Quatsch. Unsere Turbomotoren müssen genau so unser komplettes Dauerhaltbarkeitsprogramm und die Lebensdauervorhersagen erfüllen wie die Saugmotoren.“ Natürlich müsse man den Motor anders auslegen, ihn auf die höheren Anforderungen entsprechend optimieren und dimensionieren. „Unter der Voraussetzung, dass man das richtig macht, gibt es keine reduzierte Lebenserwartung“, so sein Credo.
Der neue 1.0-Liter 3-Zylinder EcoBoost Motor ist von einer Jury von 76 Journalisten aus 35 Ländern als „Internationaler Motor des Jahres 2012“ ausgezeichnet worden.
Volkswagen setzt auf Zylinderabschaltung
Wie bereits mit den ab 2005 eingeführten TSI Motoren setzt Volkswagen auch bei der neu entwickelten Benziner-Baureihe EA 211 das Downsizing konsequent fort. „Diese Motorenbaureihe haben wir konsequent in Richtung CO2-Reduzierung und Gewicht optimiert“, berichtet Dr. Rüdiger Szengel. Dabei leiste das ultrasteife Kurbelgehäuse aus Aluminium-Druckguss einen wesentlichen Beitrag zur Gewichtsreduzierung (beim 1.4 TSI des Polo BlueGT immerhin minus 22 kg gegenüber dem Grauguss-Pendant der vorherigen Motorenbaureihe), betont der Leiter Otto-Motoren-Entwicklung bei Volkswagen. Mit Thermomanagement-Maßnahmen sei auch der Kühlkreislauf noch einmal optimiert worden. So habe man einen schaltbaren Zylinderkurbelgehäuse- und einen Zylinderkopfkreislauf. Massive Gewichtsreduzierung an der Kurbelwelle und an den Pleuel sowie ein Absenken der Reibung seien weitere Ergebnisse des akribisch betriebenen Leichtbaus à la Volkswagen.
Mit dem 1.4 TSI-Motor des Polo BlueGT und jetzt auch im neuen Golf hat Volkswagen weltweit erstmals in einem Vierzylinder-Turbomotor in Großserie die Zylinderabschaltung realisiert. Diese bisher nur bei 8- oder 12-Zylindermotoren eingesetzte Technologie bringt eine Verbrauchsreduzierung von bis zu 0,4 l/100 km. „Bei der Abschaltung setzen wir verschiebbare Nockenstücke für die mittleren beiden Zylinder ein“, erklärt Dr. Szengel das technische Prinzip. „Auf der Zylinderkopfhaube angebrachte Aktuatoren greifen in eine Kulisse dieses Nockenstückes, verschieben so die Nocken um eine Nockenbreite und schalten dann auf einen Nullhub“, so der Motorenentwickler weiter. Dadurch würden die Ventile deaktiviert. Sobald der Fahrer kräftiger Gas gebe, schalte die Elektronik die stillgelegten Zylinder wieder zu. „Wir sind sehr stolz darauf, extrem kurze Schaltzeiten – zwischen 30 und 36 ms – realisiert zu haben“, betont Dr. Szengel, „weil so der ganze Vorgang für den Kunden unmerklich vonstattengeht.“
Aktiv wird dieses ACT genannte aktive Zylindermanagement in einem Drehzahlbereich zwischen 1.250 und 4.000 min-1 sowie bei Drehmomenten zwischen 25 und 85 Nm – ein weites Kennfeld, das im EU-Fahrzyklus fast 70 Prozent aller Fahrzustände erschließt.
Bei einer Leistung von 103 kW (140 PS) liegen der durchschnittliche Verbrauch des Polo Blue-GT bei rund 4,7 l/100 km und die CO2-Emission bei 105 bis 107 g/km*. Dabei erreicht das Fahrzeug die Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h. (*Abhängig vom gewählten Getriebe. 105 g/km = 7-Gang DSG, 107 g/km = Handschalter.)
Letztendlich wird die ungewöhnliche Koexistenz von Effizienz und Dynamik durch das konsequente Zusammenspiel aus ACT, Downsizing (Hubraumreduzierung plus Direkteinspritzung und Aufladung) und BlueMotion Technology von Volkswagen (Start-Stopp-System, Rekuperation) möglich.
Bei der diesjährigen Vergabe des vom Center of Automotive Management (CAM) ins Leben gerufenen Automotive Innovations Award lag der Volkswagen Konzern in drei Kategorien vorne. Dazu zählte die Kategorie „Bester Hersteller: Konventionelle Antriebe“, in der sich das Unternehmen die begehrte Auszeichnung sicherte. Der Konzern führte laut Jury nicht nur die meisten Innovationen ein, sondern realisierte auch erhebliche Effizienzgewinne, beispielsweise durch den Einsatz neuer Motoren mit Zylinderabschaltung und Start-Stopp-Automatik.
Ford, Tel.: 0241 9421-212
Volkswagen, Tel.:05361 928699
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