Da hochfeste Stähle wirtschaft- liche Leichtbau-Materialien sind, macht es Sinn, sie neben der Karosse auch im Fahrwerk einzusetzen. So ist ein einschaliger Querlenker für eine McPherson-Vorderachse nicht nur leichter als sein zweischaliger Vorgänger, sondern auch noch 20 Prozent günstiger.
Mehrphasenstähle mit Zugfestigkeiten bis 1400 MPa sind erfolgreiche Leichtbau-Werkstoffe im Automobilbau. Produzenten nutzen ihre Festigkeit und Umformbarkeit für gewichtsoptimierte, dünnwandige Konstruktionen. Bei der Sicherheit müssen sie keine Abstriche machen und was die Kosten angeht, erweist sich Stahl als wirtschaftlich. Bislang werden die Materialien hauptsächlich in der Karosse eingesetzt. Im Fahrwerk wendet man traditionell mikrolegierte Feinkornstähle mit Streckgrenzen von 355 bis 420 MPa an. Thyssen Krupp ist dabei, das zu ändern. In Bielefeld arbeitet man daran, moderne Stahlwerkstoffe im Fahrwerk zu nutzen.
Das Unternehmen fertigt jährlich 1,2 Mio. Querlenker einer McPherson-Vorderachse aus CP-W 800. Dieses Complexphasenstahl-Warmband hat eine Zugfestigkeit von 800 und eine Streckgrenze von 680 MPa. Zuvor wurden die Querlenker als zweischalige geschweißte Bauteile ausgeführt oder geschmiedet. Thyssen Krupp gelang es ein einschaliges Bauteil zu konstruieren, das Gewicht spart und mit weniger Einzelteilen und Fügeoperationen auskommt. Die Kostenersparnis beträgt rund 20 %.
Einen ähnlichen Querlenker hat das Unternehmen für die Vorderachse eines Hochdachkombis entwickelt, bei dem zuvor zwei unterschiedliche Lenker für die Führung der Räder sorgten: Für Achslasten bis 1100 kg kam ein geschweißter, zweischaliger Lenker zum Einsatz. Für 1200 kg griff man auf gegossenes Aluminium zurück. Die neue Lösung ist mit 2,8 kg nicht nur gut 1 kg leichter als die 3,87 kg schwere Aluminium-Gusslösung, sie unterbietet auch die 3,18 kg, die für die geschweißte Stahllösung zu Buche schlagen. Die Kosten für das neue Bauteil sind 20 % geringer – auch, weil der Lenker Achslasten bis 1200 kg tragen kann, so dass eine zweite Komponente für höhere Lasten nicht mehr nötig ist.
Ganzheitlicher Ansatz hebt Potenzial
Die Bielefelder Ingenieure betrachten neben den Werkstoffeigenschaften auch umform-, fügetechnische sowie Korrosionsschutz-Aspekte. So ist bei Achskomponenten die Steifigkeit von zentraler Bedeutung, bei der es nicht nur auf die Werkstoffeigenschaften ankommt, sondern auch auf Geometrie und Wandstärke des Bauteils. Gewichtsersparnis bringt die hohe Festigkeit eines Mehrphasenstahls nur, wenn man die Wandstärke entsprechend verringert. Um den damit verbundenen Steifigkeitsverlust zu kompensieren, muss die Form des Bauteils verändert werden. Dabei entstehen komplexe Geometrien, die gepaart mit der hohen Festigkeit moderner Mehrphasenstähle, hohe Ansprüche an den Umformprozess stellen. Hinzu kommt, dass auch die verringerten Wandstärken der aus Warmband gefertigten Fahrwerkkomponenten noch deutlich dicker sind als bei Karosserieteilen aus kaltgewalztem Feinblech.
Thyssen Krupp fertigt hochfeste Fahrwerkkomponenten mit einer 1600 t Presse in bis zu acht Umformschritten und verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung mit der Verarbeitung hochfester Mehrphasenstähle einschließlich Auslegung und Beschichtung der Umformwerkzeuge. Zudem bringt der Complexphasenstahl CP-W 800 nicht nur eine hohe Streckgrenze, sondern mit einer Mindestdehnung von 12 % auch gute Tiefzieheigenschaften mit.
Fügetechnik und Korrosionsschutz
Wer hochfeste Stähle im Fahrwerk einsetzen will, muss die Fügetechnik überdenken. Bevorzugtes Verfahren ist bislang MAG-Schweißen. Allerdings heizt das Material dabei so stark auf, dass sich das Gefüge in der Umgebung der Schweißnaht verändert und die Streckgrenze auf 350 MPa sinkt. Weiterer Nachteil: Der Schweißstrahl würde die dünnen Wände der hochfesten Komponenten durchbrennen. Thyssen Krupp hat sich deshalb mit Alternativen beschäftigt und wendet beispielsweise bei einem Vorderachsträger aus hochfestem Dualphasenstahl das Bördeln an.
Als besonders zukunftsträchtig gilt Laserhybridschweißen. Hier ist die Wärmeeinflusszone so klein, dass kaum Festigkeitsverluste in der Umgebung der Schweißnaht entstehen. Hinzu kommt: Die Schweißgeschwindigkeit ist etwa dreimal so hoch wie beim MAG-Schweißen und die Verbindung hat eine mindestens doppelt so hohe Lebensdauer.
Verringerte Wandstärken stellen auch höhere Anforderungen an den Korrosionsschutz. Als Beschichtungsoption für die unter anderem durch Steinschlag belasteten Teile kommt zum Beispiel die Stückverzinkung in Frage. Im Vergleich zur herkömmlichen Dickschicht-KTL bietet sie gleichen Korrosionsschutz bei verbesserter Betriebsfestigkeit, aber höheren Kosten. Deutlich geringer ist der Preisunterschied zu Dickschicht-KTL bei der von Thyssen Krupp Steel entwickelten Zink-Magnesium-Oberfläche „ZMg Ecoprotect“ und einer Zink-Lamelle genannten Beschichtung. Beide Oberflächen bieten gegenüber Dickschicht-KTL verbesserten Korrosionsschutz bei gleicher Betriebsfestigkeit.
Thyssen Krupp; Telefon: 0203 52-45185; E-Mail: bernd.overmaat@thyssenkrupp.com
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