Welches ist das beste Getriebe? Handschalter, automatisierte Schaltgetriebe, Doppelkupplungsgetriebe, Wandlerautomaten und CVT-Getriebe buhlen mit verschiedenen Qualitäten um die Gunst der Käufer. Je nach Marktsegment und Weltregion hat mal das eine, mal das andere bessere Karten.
Der Autor Jürgen Goroncy ist freier Mitarbeiter der AutomobilKONSTRUKTION
Eine Studie von CSM Worldwide schlüsselt die Tendenzen am Getriebemarkt schön auf: Die Analysten prognostizieren für 2015 eine Jahresproduktion von gut 80 Millionen Pkw-Getrieben. Davon dürften etwa die Hälfte Handschaltgetriebe sein (+15 % im Vergleich zum Bezugsjahr 2008), etwa 25 Millionen Wandlerautomaten (-2 %), 10 Millionen CVT-Getriebe (+130 %), 4 Millionen Doppelkupplungsgetriebe (+700 %) und knapp 2 Millionen automatisierte Schaltgetriebe (+125 %).
CVT – oh je?
Es gibt aber etliche regionale Besonderheiten. So dämmert das CVT-Getriebe auf dem europäischen und nordamerikanischen Markt der Bedeutungslosigkeit entgegen, während es in Japan dem Wandlerautomat heftig Konkurrenz macht. Den Malus der stufenlosen Kraftübertragung bringt Dr.-Ing. Jürgen Greiner, Geschäftsführer Entwicklung der ZF Getriebe GmbH auf den Punkt: „Physikalische Gesetze machen erstens Schubgliederbänder oder Ketten mit mehr als 400 Newtonmeter fast unmöglich und begrenzen zweitens den Wirkungsgrad. Außerdem ist das CVT von allen automatisierten Getrieben das teuerste. Wir haben uns deshalb schon vor einiger Zeit aus der Entwicklung wieder verabschiedet.“
Dem Kegelringgetriebe als einer Ableitung des CVT billigt Greiner auch keine großen Marktchancen zu, da es ebenfalls schlecht in der Großserie industrialisierbar sei. Wettbewerber Getrag sieht zumindest auf dem asiatischen Markt für kleine Fahrzeuge bis 125 Nm Drehmoment gewisse Chancen für diese Technik. Deren eifrigster Verfechter ist die Gesellschaft für Industrieforschung mbH (GIF), die ein praktisch serienreifes Kegelringgetriebe entwickelt hat. Allerdings sieht sich die GIF als Entwicklungsdienstleister und sucht einen Getriebehersteller als Partner für die umfassende Industrialisierung und Produktion des Konzeptes.
Darf´´s noch etwas mehr sein?
Hinter dem scheinbaren Stillstand des Wandlerautomaten verbergen sich indes höchst dynamische Prozesse. Zum Beispiel kommen die Getriebebauer durch ständig mehr Übersetzungsstufen dem idealen Wirkungsgrad immer näher: So haben Aisin und ZF in den vergangenen Jahren neue Achtgang-Automatikgetriebe präsentiert. „Wenn es ein ideales Getriebe gäbe, sind wir mit der aktuellen Lösung nur noch etwa elf Prozent davon entfernt“, sagt Jürgen Greiner von ZF. Sein Kollege Gerd Bofinger, Leiter der Getriebeentwicklung bei Porsche, sieht es etwas anders: „Ein Optimum für Leistung und Verbrauch würde mindestens zehn Gänge erfordern.“ Tendenziell wird der wachsende Kostendruck auf OEM und Zulieferer in Zukunft das Wettrüsten mit immer mehr Gängen eher bremsen.
Was ZF allerdings nicht daran hindert, ein weiteres Fass aufzumachen. Das für etwa 2013 angekündigte neue Automatikgetriebe mit neun Fahrstufen für quer eingebaute Motoren und Frontantrieb zielt auf den Wettbewerber Aisin ab, der in diesem Segment bisher den Ton angibt. Allerdings gelten die Schaltpausen und die Kraftstoffeffizienz der bisherigen „kleinen“ Automatikgetriebe nicht gerade als vorbildlich. Hier will ZF mit seinem Neungang-Automaten punkten. Die vielen Fahrstufen ermöglichen geringe Drehzahlsprünge zwischen den Stufen, aber dennoch eine hohe Gesamtspreizung zwischen dem ersten und neunten Gang. Beispielsweise soll der Motor so bei Konstantfahrt nahe seinem niedrigsten spezifischen Verbrauch betrieben werden können.
Weitere Vorteile: Reaktions- und Schaltzeiten sollen vom Fahrer kaum mehr wahrnehmbar sein. Auch Doppel- und Mehrfachschaltungen wie bei einem Doppelkupplungsgetriebe sollen möglich sein – und das alles bei sehr kompakten Abmaßen. ZF wird die Neungang-Automatik in den USA fertigen. Da die Nordamerikaner traditionell der Wandlerautomatik huldigen, wäre dort auch ein plausibler erster Markteinstieg. Vielleicht mit dem Volkswagen-Konzern, der in Nordamerika etliche Fahrzeuge mit „Front-Quer-Konfiguration“ anbietet.
Insgesamt haben die Wandlerautomaten vor allem in Fahrzeugen mit mehr als 500 Nm Drehmoment die Nase vorn. CVT-Getriebe streichen hier konstruktionsbedingt die Segel, Handschalter sind nicht komfortabel genug. Und der neue Wettbewerber Doppelkupplungsgetriebe (DKG) ist in diesen Drehmomentregionen teurer und etwa 15 bis 20 % schwerer. Insbesondere in den Triademärkten Nordamerika, Europa und Japan dürfte die Wandlerautomatik diesen Vorsprung in der Oberklasse behalten.
Trocken oder nass?
Bei weniger als 500 Nm Drehmoment dürfte vor allem in Europa das DKG dem Wandlerautomaten das Leben schwer machen. Für das DKG sprechen vor allem die Schaltdynamik und Hochdrehzahl-Festigkeit, die sehr gut zu den Motorcharakteristiken in diesem Segment passen. Beispielsweise wird gemunkelt, dass der VW-Konzern unterhalb der Oberklasse den konventionellen Automaten mittelfristig durch das DKG ablöst. Das erst kürzlich präsentierte DKG für bis zu 500 Nm Drehmoment stützt diese These.
Innerhalb der DKG-Fraktion machen sich „trockene“ und „nasse“ Kupplungskonzepte Konkurrenz. Getriebe mit trockenlaufenden Kupplungen bieten etwas höhere Verbrauchsvorteile. Allerdings ist ihr Verschleiß etwas höher und ihre Drehmomentkapazität momentan auf etwa 300 Nm beschränkt. In Sachen Gangzahl sind beim DKG derzeit sieben Gänge das Maß aller Dinge. Noch mehr Gänge haben laut Getrag aufgrund des Bauaufwandes und Gewichts keine weiteren Vorteile und können durch die hohe Schalthäufigkeit den Fahrer stören.
DKG werden auch den Handschaltgetrieben Marktanteile abknöpfen. Diese können den Verlust aber durch die weltweit starke Dynamik bei kleineren Fahrzeugen ausgleichen, wo Handschaltgetriebe aus Kostengründen fast konkurrenzlos sind. Bei den manuellen Getrieben werden sechs Gänge langsam Standard, der siebte Gang ist aber nicht in Sicht.
Ebenso differenziert wie der Markt stellt sich auch die Anbieterseite dar. Neben klassischen Zulieferern wie Aisin, Getrag, Jatco, Tremec (ehemals Borg Warner) und ZF stellen viele OEM ihre Getriebe selbst her. Mercedes-Benz zum Beispiel fertigt nach eigenen Angaben mehr als 90 % seiner Getriebe selbst, nur das Smart-Getriebe wird von Getrag zugekauft. Volkswagen produziert alle Handschalter und DKG für die Frontantriebe mit quer eingebauten Motoren und die CVT-Getriebe für Audi selbst, die Wandlerautomaten werden zugekauft.
Kommt der Elektroantrieb in die Gänge?
Noch offen ist die Entwicklung bei Getrieben für alternative Antriebe. So kommen Elektrofahrzeuge laut Audi durchaus mit einem Einganggetriebe aus. Seien jedoch Eigenschaften wie Zugkraftverhalten, Geräuschkomfort, Schwingungsverhalten oder größere Geschwindigkeitsbereiche wichtig, hätte ein Mehrganggetriebe Vorteile. Nach Ansicht führender Getriebeexperten werden Elektrofahrzeuge zumindest ein Reduktionsgetriebe mit zwei oder sogar drei Gängen bekommen. Dann können auch kleinere und sparsamere Elektromaschinen mit geringerem Gesamtgewicht eingesetzt werden.
Bei Hybridantrieben sind generell Konzepte mit allen Getriebevarianten möglich – wie der ZF-Achtgang-Automat, Lösungen von Getrag mit einem DKG sowie der CVT-Hybridstrang des Honda Insight sowie das Planetengetriebe im Toyota Prius belegen. Unter dem Spardiktat dürften auch hier Baukastenlösungen mit vielen Variantenmöglichkeiten zu geringen (Mehr-)Kosten die besten Marktchancen haben. Welche genau wird die Zukunft zeigen.
Jürgen Goroncy; Telefon: 07143 59497; E-Mail: goroncy.j@t-online.de
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