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Kinder des Sparwunders

Möglichkeiten der Gewichtsreduzierung am Beispiel Fahrwerk
Kinder des Sparwunders

Nachdem bei der Autokarosserie schon sehr viel Gewicht durch neue und vor allem festere Werkstoffe eingespart werden konnte, bemühen sich die Automobilkonstrukteure gemeinsam mit den Zulieferern darum, auch an anderen wichtigen Baugruppen Gewicht einzusparen. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei dem Fahrwerk gewidmet. Neue Werkstoffe machen Aufhängungen, Achsen und Dämpfer nicht nur leichter und damit das ganze Fahrzeug weniger durstig, sondern es werden so ganz nebenbei auch Sicherheit, Komfort und Fahrdynamik erhöht.

Der Autor Hans-Ulrich Tschätsch ist freier Fachjournalist in Oberhausen

Physikalisch gesehen ist die Sache klar: Je geringer das Gewicht eines Fahrzeugs, desto niedriger ist der Kraftstoffverbrauch. Es wurde nachgewiesen, dass bereits eine Reduzierung des Gewichts um 100 kg den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch eines Pkw um etwa 0,3 l/100 km reduziert. Bezogen auf eine Fahrstrecke von 1 km emittiert ein Benziner rund 7,1 g weniger CO2. Bei einem Fahrzeug mit Dieselmotor liegt dieser Wert sogar bei 7,9 g. Nachdem bei der Karosserie die Gewichtsreduzierung weitgehend ausgereizt ist, gerät nun das Fahrwerk als nächst schwerere Baugruppe in den Mittelpunkt der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Das gesamte Fahrwerk macht immerhin rund ein Viertel des Gesamtgewichtes eines Pkw aus und ist deswegen ein lohnendes Ziel für mehr Gewichtseinsparung.
Funktionsintegration
Als eines der ersten Kraftfahrzeuge setzte bereits 1999 das so genannte Sparwunder von VW der Lupo 3L auf ein Leichtbau-Fahrwerk. An Stelle von Stahl kam in Feder- und Dämpferbauteilen des Drei-Liter-Kleinstwagens das deutlich leichtere Aluminium zum Einsatz. Damals wurde das Konzept des ultraleichten Federbein-Radträger-Moduls aus Faser-Kunststoff-Verbund (FKV) erstmals vorgestellt. Gegenüber einem Leichtbau-Federbein und -Radträger aus konventionellen Metallwerkstoffen reduziert ein solches FKV-Modul das Gewicht in Verbindung mit einer geschlossenen und ebenfalls aus FKV bestehenden Balgfeder noch einmal um 50 %. Das große Leichtbaupotenzial erschließt sich dabei wesentlich durch die Verbindung der Baugruppen Radträger und Federbein zu einem Bauteil. Durch diese Funktionsintegration werden bisherige, schwere Stahlbauteile wie zum Beispiel Behälterrohr und Federteller überflüssig. Unterm Strich können so mehrere Kilo eingespart werden. Was sich nach sehr wenig anhört, sind im Automobilbau allerdings Welten.
Material optimal ausnutzen
Ein weiterer Vorteil: Nimmt der Gewichtsanteil der ungefederten Massen eines Autos ab, wird das Fahrzeug deutlich agiler und bietet gleichzeitig mehr Fahrkomfort. Die Gewichtsreduzierung beim Lupo war aber nur ein erster Schritt. Die Entwicklungsingenieure vom Zulieferer ZF, die damals schon maßgeblich an dieser Abmagerungskur beteiligt waren, versuchen nun, das Fahrwerksgewicht generell noch einmal zu halbieren. Neben dem Einsatz von Leichtbaumaterialien neuester Art sollen auch neuartige Konstruktionsweisen dabei helfen. Aktuell fertigt ZF Leichtbau-Dämpfer auf Aluminium-Basis, die pro Fahrzeug 4 kg Gewicht einsparen und schon in Mittel- und Oberklasse-Serienmodellen eingesetzt werden. Möglich ist dies zum einen durch ein neues Fertigungsverfahren, bei dem die Wandstärke des Aluminium-Behälterrohres variabel dem Verlauf der Beanspruchung folgt und somit das Material nahezu ideal ausgenutzt wird. Weiterhin ermöglichen hohle Kolbenstangen je nach Länge eine Gewichtseinsparung von 20 bis 30 % gegenüber den herkömmlichen Lösungen aus massivem Stahl. Bei geregelten Dämpfern (CDC) können die erforderlichen Kabel direkt durch die Kolbenstange geführt werden.
Neues Achskonzept
Mehr Wirtschaftlichkeit war auch eines der Hauptziele bei der Entwicklung einer Achsstudie mit radführender Querblattfeder. Hier konnte ebenfalls durch den Einsatz neuer Werkstoffe die Anzahl der Bauteile deutlich reduziert werden, ohne dass bei den Fahreigenschaften Nachteile auftraten. Wesentlich an diesem neuen Achskonzept ist eine Querblattfeder aus unidirektionalem Faser-Kunststoff-Verbund. Dieses einzelne Bauteil übernimmt über die Federungs- und Stabilisierungsfunktion hinaus auch die Radführung inklusive aller Aufgaben, die für die Spurstabilität und Fahrsicherheit eines Fahrzeugs notwendig sind. Durch die erweiterte Funktionalität der Querblattfeder entfallen der bislang notwendige Stabilisator mit dessen Lagerung sowie je zwei Pendelstützen, Querlenker und konventionelle Schraubenfedern. Neben der Gewichtsreduk- tion wird so ein schlanker Fertigungs- und Montageprozess ermöglicht. Reduzierte ungefederte Massen und die einstellbare Längsnachgiebigkeit über den Längslenker führen zu mehr Komfort. Unter Seitenkraft geht die Achse in Vorspur und unterstützt dadurch die Fahrsicherheit des Fahrzeugs. Die Seitensteifigkeit wird über die Querblattfeder, den Spurlenker und über die Abstützlänge des Dämpfers auf die Anforderungen abgestimmt. Das Feder- und Wankverhalten der Achse kann durch die Lagerpunkte der Querblattfeder sowie deren Querschnittsverlauf bestimmt werden. Der Wegfall der Schraubenfedern verbessert auch die Durchladebreite im Vergleich zu konventionellen Mc Pherson-Achsen. Zudem kann der Freiraum vor der Querblattfeder zum Beispiel für Batterien oder Erdgastanks bei alternativen Fahrzeugkonzepten genutzt werden.
Einen anderen Entwicklungsansatz verfolgt ZF mit der „Multi Compliance Twist Beam Axle“ (MCT). Ziel ist auch hier Leichtbau und Wirtschaftlichkeit zu kombinieren. Diese Studie zeigt auf Basis einer Verbundlenkerachse ein Hinterachskonzept, das ohne erhebliche Mehrkosten annähernd die Leistungsfähigkeit einer Mehrlenkerachse erreicht. Um aber die kinematischen und elastokinematischen Eigenschaften einer Mehrlenkerachse zu erreichen, ist normalerweise die Funktionstrennung und dadurch gezielte Auslegung der fahrwerkspezifischen Eigenschaften notwendig. Das Prinzip der neuen elastokinematischen Torsionslenkerachse zeigt jedoch Fahreigenschaften, wie sie bislang nur bei Mehrlenkerachsen zu erreichen waren. Die Achskennwerte bieten nach Angaben von ZF Automobilentwicklern und -herstellern zusätzliche Auslegungsfreiheiten. Die „Multi Compliance Twist Beam“-Achse kann so die Lücke zwischen klassischer Verbundlenkerachse und Mehrlenkerachse schließen.
Kürzere Entwicklungszeiten
Neu entwickelte Ansätze im Fahrwerks-Leichtbau stellen trotz der vorangegangenen Entwicklungsarbeit immer noch hohe Ansprüche an die Schnittstelle zwischen Produktentwicklung und Produktions-Know-how. ZF verweist in diesem Zusammenhang auf seine bei der Fahrwerk-Entwicklung profilierten Tools der virtuellen Produktentwicklung. Sie helfen, Entwicklungszeiten zu verkürzen, Kosten zu sparen, Fehler zu vermeiden und unterstützen die Dokumentation der Entwicklungsphasen. Die Umsetzung sämtlicher Maßnahmen in die Serienfertigung setzt deshalb auch ein entsprechendes Fertigungs-Know-how voraus. Zum einen müssen bei Material-Substitution neue Prozessschritte eingeführt und beherrscht werden. Zum anderen werden durch die Funktionsintegration von Bauteilen auch ganz andere, wirtschaftlichere Montageabläufe möglich. Fest steht aber, dass eine Gewichtsreduktion im Fahrwerk doppelt sinnvoll ist. Zum einen lassen sich die fahrdynamischen Eigenschaften steigern, zum anderen leistet sie einen wesentlichen Beitrag zu Kraftstoffeinsparungen und Emissionssenkungen.
ZF; VW; Telefon: 0208 8824070 ;
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