Die Leistung eines SCR-Katalysatorsystems hängt entscheidend von einer turbinenförmigen Komponente ab, die zwischen Harnstoff- eindüsung und Katalysator in das Abgassystem eingebaut wird. Der sogenannte Mischer sorgt für eine rasche Verdampfung der Reduktionsflüssigkeit und für eine gleichmäßige Verteilung des freigesetzten Ammoniaks. Aufbauend auf dieser Grundkonzeption wurde dieser maßgeschneiderte Mischer für eine 3,0 Liter Turbodieselmotorisierung entwickelt.
Direkteinspritzende Pkw-Dieselmotoren sind laufruhig, leistungsstark und verbrauchsarm. Zur Einhaltung anspruchsvoller Grenzwerte für Stickoxide (NOx), wie sie zum Beispiel die US-amerikanische Tier 2 Bin 5 oder die europäische EU6 Norm vorschreiben, müssen die NOx-Rohemissionen im Zuge der Abgasnachbehandlung unschädlich gemacht werden (Denoxierung). Bei großvolumigen und leistungsstarken Dieselmotoren ist die SCR-Technologie zur sicheren Einhaltung zukünftiger NOX-Emissionsgrenzwerte unumgänglich. SCR steht für Selective Catalytic Reduction. „Selektiv“ heißt die Reduktion deshalb, weil der SCR-Kat ausschließlich gegen Stickoxide wirksam ist.
Mischer mit fünf Funktionen
Als Reduktionsmittel wird vor dem SCR-Kat eine wässrige Harnstofflösung (AdBlue) in den Abgasstrom eingespritzt. AdBlue besteht zu 32,5 % aus Harnstoff und zu 67,5 % aus demineralisiertem Wasser. Im SCR-Kat reagieren die Stickoxide aus dem Abgas mit dem Ammoniak (NH3), das aus dem Harnstoff (CH4N20) gebildet wird. Endprodukte der chemischen Reak- tion sind harmloser Stickstoff (N2) und Wasser (H2O). In den meisten Anwendungen muss für eine optimale Denoxierung zwischen Eindosierung des AdBlue und SCR-Kat eine turbinenförmige Komponente in das System integriert werden. Aufgabe des sogenannten Mischers ist es, eine stöchiometrische Gleichverteilung von Stickoxiden und Ammoniak am Kat-Eintritt zu erreichen. Dazu muss der Mischer unter Berücksichtigung minimalen Gegendrucks bezüglich seiner fünf Funktionen optimiert sein. Er wirkt als Tröpfchenabscheider, Sekundärzerstäuber, Wärmetauscher, Verdampfer und Turbulenzgenerator.
Der Tröpfchenabscheider sorgt durch seine Strömungsumlenkung dafür, dass die nach der Einspritzung noch vorhandenen trägen Tröpfchen auf die Oberfläche der Mischerschaufeln gelenkt werden. Die Strömungsumlenkung hängt unmittelbar vom Anstellwinkel der Schaufelblätter ab. Je größer der Anstellwinkel, desto stärker wird die Strömung am Mischereintritt beschleunigt. Denselben Effekt hat eine Erhöhung der Zahl der Schaufeln. Mit zunehmender Schaufelzahl wird der Rohrquerschnitt immer stärker verblockt und die Strömung zusätzlich beschleunigt. Sowohl die Vergrößerung des Anstellwinkels als auch die Erhöhung der Schaufelzahl hat einen Anstieg des Abgasgegendrucks zur Folge, was zu einem unerwünschten Absinken der Motorleistung beziehungsweise einer Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs führt. Die Aufgabe der Entwicklungsingenieure besteht darin, die Mischergeometrie so auszulegen, dass über das gesamte Motorkennfeld bei minimalem Anstieg des Abgasgegendrucks eine vollständige Tröpfchenabscheidung erfolgt.
Aufgabe des Wärmetauschers ist es, ein Maximum der aus dem Abgas entnommenen Wärmeenergie in die Bereiche des Mischers zu leiten, in denen tatsächlich eine Verdampfung stattfindet.
Der Sekundärzerstäuber lässt die Tröpfchen beim Aufprall auf die Mischeroberfläche zerplatzen. Dabei bleibt ein Teil der Flüssigkeit haften. Der andere Teil streut als Sekundärtröpfchen, mit entsprechend geringerer Masse und größerer Gesamtoberfläche, in Richtung des SCR-Katalysators. Aufgrund der Erwärmung infolge des Wandkontakts sowie des günstigeren Verhältnisses von Oberfläche zu Masse verdampfen die Sekundärtröpfchen im Abgas zehn- bis hundertmal schneller als die beim Einspritzen entstandenen Primärtröpfchen. Die auf der Mischeroberfläche haftende Tropfenmasse muss innerhalb eines Dosierintervalls von wenigen hundert Millisekunden restlos verdampfen.
Der Turbulenzgenerator bewirkt idealerweise eine stöchiometrische Gleichverteilung von freigesetztem Ammoniak und Stickoxiden am Kat-Eintritt. Ziel ist es, eine möglichst starke Verwirbelung bei gleichzeitig möglichst geringfügiger Erhöhung des Abgasgegendrucks zu erreichen.
Art der Einspritzung entscheidend
Ein entscheidender Faktor für die Mischerentwicklung ist die Art der Einspritzung, wie Dosierung, Strahlausformung oder Strahlwinkel. Über die Dosierstrategie entscheidet in der Regel der Fahrzeughersteller. Die anwendungsspezifische Auslegung des Mischers ist Aufgabe des an der Entwicklung des Abgassystems beteiligten Systempartners. Je nach Anforderungsprofil sind Mischer für verschiedene Anwendungen ganz unterschiedlich geformt. Das SCR-Katalysatorsystem des 3,0 l Turbodiesel, für das Boysen den abgebildeten Mischer entwickelt hat, erreicht eine NOx-Reduktion von über 95 %.
Im Zuge der weiteren Verbreitung von SCR-Katalysatorsystemen wird der maßgeschneiderte Mischer zum entscheidenden Technologiebaustein. Im nächsten Entwicklungsschritt wird bei verringertem Gegendruck eine noch bessere Gleichverteilung angestrebt, um in allen Betriebspunkten einschließlich der Regenerationsphase des Dieselpartikelfilters eine Konversionsleistung von über 98 % zu erreichen.
Boysen arbeitet derzeit an einer Reihe von Projekten für verschiedenste Anwendungen, im Pkw- und Nfz-Bereich sowie auf dem Gebiet der Off Highway-Anwendung von Dieselmotoren wie Militärtechnik, Schiffe, Schienenfahrzeuge und Dieselgeneratoren. Es ist nicht auszuschließen, dass Mischer eines Tages sogar bei Magermix-Ottomotoren zum Einsatz kommen werden: Bedingt durch die extrem hohen Verbrennungstemperaturen liegt die Stickoxid-Rohemission dieser Aggregate bis zum Zehnfachen über der eines vergleichbaren Dieselmotors.
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