KEM Konstruktion: Welche Maßnahmen werden zukünftig den Verbrennungsmotor noch weiter optimieren?
Martin Scheidt: Es gibt drei große Bereiche, die den Verbrennungsmotor zukünftig effizienter machen. Das ist erstens der variable Luftpfad – bestehend aus variabler Ventilsteuerung und optimierter Aufladung. Das erlaubt über Miller-Steuerzeiten eine Anhebung der Verdichtung, die Umsetzung von Lambda 1 im gesamten Kennfeld und die Verringerung der Ladungswechselverluste. Daraus ergeben sich Verbrauchsvorteile von drei oder vier Prozent im Zyklus, hinzu kommt ein deutlicher Verbrauchsvorteil bei Volllast durch Entfall der Anreicherung. Ein weiterer Schlüssel für die Effizienzsteigerung ist das Thermomanagement für den gesamten Antriebsstrang. So springen die Abgasreinigungssysteme schneller an und die Verlustreibung sinkt rasch. Inzwischen haben wir mehr als zehn Serienanläufe mit unserem Thermomanagementsystem realisiert.
Außerdem entlastet und unterstützt jegliche Hybridisierung den Verbrennungsmotor und sorgt zusammen mit der Rekuperation der Bremsenergie für einen besseren Gesamtwirkungsgrad des Systems.
KEM Konstruktion: Welche Produkte und Systeme von Schaeffler erhöhen die Motoreneffizienz noch?
Scheidt: Die Nachfrage nach wälzgelagerten und gewichtsoptimierten Ausgleichswellen, wo Schaeffler sowohl die kompletten Systeme fertigt als auch Wälzlager liefert, steigt kontinuierlich, hauptsächlich für größere Drei- sowie Vierzylindermotoren im Premiumbereich. Außerdem werden die Turbolader zunehmend mit Wälzlagerung ausgerüstet. Das verbessert das Ansprechverhalten, reduziert die mechanischen Verluste im Lader und ermöglicht den Einsatz niedrigviskoser Öle. Auch wird der elektrisch betriebene Nockenwellenversteller sehr wichtig. Eine aktuelle Entwicklung unterstützt mit diesem System die Hybridfunktion. Der Motor wird oft stillgelegt und gestartet, dabei sollen keine störenden Vibrationen auftreten. Da die Funktion des elektrischen Verstellers nicht von der Drehzahl des Motors abhängig ist, dekomprimiert er bereits vor dem Neustart den Motor und verhindert so die störenden Vibrationen.
KEM Konstruktion: Bisher haben Sie das elektro-hydraulische vollvariable Ventiltriebsystem Uni Air nicht erwähnt. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Scheidt: Wir haben bisher mehr als drei Millionen Systeme an unterschiedliche OEMs ausgeliefert. Das Interesse der Kunden ist zunehmend, denn mittlerweile steht ein anderer Vorteil von Uni Air im Fokus. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr auf Reduzierung der Ladungswechselverluste, sondern heute realisieren die Motorenbauer mit Uni Air einen extremen Miller-Zyklus. So kann Lambda 1 im gesamten Kennfeld realisiert werden mit Leistungen von bis zu 100 Kilowatt pro Liter Hubraum und gutem Low-End-Drehmoment. Kurze oder lange Steuerzeiten, extrem kurze Umschaltzeiten von einem Hub zum nächsten durch blitzschnelles Umschalten (shot-to-shot) des ‚digitalen‘ Systems sind möglich. Mit der Variabilität von Uni Air kann man auf eine der zwei Nockenwellen und die Phasensteller verzichten, ebenso entfällt die Notwendigkeit eines externen gekühlten AGR-Systems. Somit können mit Blick auf EU7-Anforderungen neutrale Kosten, fallweise sogar eine Reduzierung der Kosten am Motor dargestellt werden. Demonstrationsfahrzeuge mit bisher sehr guten Ergebnissen sind damit bereits in Kundenhand. Weitere positive Entscheidungen erwarten wir noch in diesem Jahr.
KEM Konstruktion: Welche Produkte und Systeme bieten das größte Optimierungspotenzial und werden deshalb in den nächsten Jahren verstärkt eingesetzt?
Scheidt: Zuerst natürlich die Hybridisierung, als P0-Lösung mit Start/Stopp und 48 Volt, damit sind fünf bis sieben Prozent CO2-Reduzierung möglich. Die gleiche Größenordnung realisiert ein variabler Luftpfad mit Uni Air. Schön ist, dass diese Potenziale sich nahezu addieren lassen. Beim P0-Hybrid liefert Schaeffler Dämpfer, Tilger und das Spannsystem.
KEM Konstruktion: Bis 2030 sollen die CO2-Reduktionen um 37,5 Prozent im Vergleich zu den 2021-Werten gesenkt werden. Ist das mit einem 48-Volt-Hybrid noch realisierbar?
Scheidt: Die geplante Reduzierung von 15 Prozent im Jahr 2025 werden mittelschwere Fahrzeuge noch mit der 48-Volt-Technik schaffen. Einen Weg dazu zeigt eine Studie die in einer Kooperation zwischen FCA, AVL und Schaeffler entstand und auf dem Motorensymposium in Wien präsentiert wurde. Das Konzeptfahrzeug „48V Low CO2 2025“ ist ein Mittelklasse-Kombi mit etwa 1400 Kilogramm Masse und einem Dreizylinder Uni-Air-Motor mit Thermomanagementmodul und einem 48-Volt P2-Hybridmodul mit 20 Kilowatt elektrischer Leistung. Damit konnte bereits der Kraftstoffverbrauch im WLTP um mehr als 15 Prozent reduziert werden, verglichen mit einem Basisfahrzeug aus dem Modelljahr 2018, das dem Stand der Technik zum Zeitpunkt des Projektstarts im Jahr 2017 entsprach. Spätestens 2030 wird es dann allerdings für alle Gewichtsklassen schwierig.
KEM Konstruktion: Warum eine P2-Lösung?
Scheidt: Durch die P2-Architektur befindet sich das elektrische Antriebssystem hinter dem Verbrennungsmotor, der so problemlos und ohne Verluste stillgelegt werden kann. P2 hat jedoch im Quereinbau ein Platzproblem. Deswegen tendieren einige Motorenbauer zu hochaufgeladenen Dreizylindermotoren, um Platz für die P2-Lösung zu schaffen.
KEM Konstruktion: Bis zu welcher elektrischen Leistung ist die 48 Volt Spannung sinnvoll?
Scheidt: Mit 20 bis 30 Kilowatt elektrischer Leistung ist im Stadtverkehr ein elektrischer Betrieb gut möglich. Es werden allerdings hohe Stromstärken aus der Batterie entnommen. Das macht eine effiziente Kühlung notwendig und die Kosten für die Hardware begrenzen die Sinnhaftigkeit der elektrischen Leistungssteigerung.
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Bild: Schaeffler
„Die geplante Reduzierung von 15 Prozent im Jahr 2025 werden mittelschwere Fahrzeuge noch mit der 48-Volt-Technik schaffen. Spätestens 2030 wird es dann allerdings für alle Gewichtsklassen schwierig.“