Wer Automobile hinsichtlich ihres CO2-Ausstoßes optimieren möchte, braucht zunächst genaue Messwerte, die aufzeigen, welche Kräfte wo wirken. Genau hier setzen Sensoren an, die auf Basis von Magnetostriktion arbeiten und die selbst bei geringem Bauraum in den Komponenten und trotz Vibrationen, Hitze und Schmutz zuverlässige Messwerte liefern.
Der Beitrag stammt von der NCTEngineering GmbH, Unterhaching
Das Vertrauen in die Qualität deutscher Technik ist weltweit groß. Dies liegt nicht zuletzt am Erfolg der Automobilindustrie in den internationalen Märkten: Nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) kam 2011 jedes zweite Auto, das in Westeuropa neu zugelassen wurde, aus Deutschland; weltweit war es immerhin jedes fünfte Auto. Auch 2012 will die Branche weitere Marktanteile gewinnen. Deshalb investiert die Branche jährlich mehr als 20 Mrd. € in Forschung und Entwicklung. Die Autos sollen leistungsstärker und verbrauchsärmer werden, der CO2-Ausstoß gesenkt, die Abstimmung aller Komponenten verbessert.
Um zu erkennen, an welchen Stellen optimiert werden kann, benötigt man zunächst genaue Messwerte, die zeigen, wann an den einzelnen Bauteilen welche Kräfte wirken. So soll beispielsweise analysiert werden, welche Leistung ein Motor bringt, welches Drehmoment beim Lenken anliegt oder welche Kräfte beim Bremsen auftreten. Das ist jedoch eine große Herausforderung: In den relevanten Komponenten, etwa dem Getriebe, ist in der Regel sehr wenig Platz für den Einbau von Sensoren. Hitze, Öl und Staub sowie Vibrationen erschweren den Einsatz von Sensoren zusätzlich oder machen ihn gar unmöglich. Eine Lösung bieten nun berührungslose Drehmomentsensoren auf Basis von Magnetostriktion. Das von NCTE entwickelte Sensorsystem liefert auch unter schwierigen Bedingungen zuverlässig exakte Daten.
Das Prinzip der Magnetostriktion
Magnetostriktion ist die Methode, mit der die NCTE-Sensoren Drehmomente und Kräfte messen. Die Getriebeeingangs- oder die Antriebswellen werden magnetisiert, anschließend misst man, wie sich das Magnetfeld bei Änderung des einwirkenden Drehmoments verändert. Integraler Bestandteil des Sensorsystems ist der magnetisch kodierte Bereich; er wird als Primärsensor bezeichnet. Die magnetische Domäne wird im Bereich einer ferromagnetischen Welle derart ausgerichtet, dass unter der Wellenoberfläche ein Magnetfeld mit einzigartigen und nutzbaren Eigenschaften entsteht. Die Magnetisierung wird mit einem speziell entwickelten, patentrechtlich geschützten Strompuls-Verfahren erzeugt. Hierzu wird der Teilbereich der Welle, der als Sensor dienen soll, mit applikationsspezifisch angepassten Werkzeugen kontaktiert. Danach werden hohe Ströme in bestimmten Frequenzmustern über die Kontakte der Werkzeuge in die Welle geleitet. Dieses Vorgehen verlieh dem Prozess den Namen PCME-Magnetisierung (Puls Current Magnetic Encoding). Der Prozess durchläuft mehrere, sich gegebenenfalls wiederholende Stufen – bis schließlich das erzeugte Magnetfeld die gewünschte Ausrichtung hat und die festgelegten Genauigkeitsanforderungen erfüllt. Um sich später durch Differenzialmessung gegen externe Magnetfelder schützen zu können, werden zwei Magnetfelder in gegenläufiger Richtung erzeugt.
Der Primärsensor hat gleich mehrere Vorteile: So sind sehr kleine Magnetfeldstärken von 0,5 bis 0,7 mT ausreichend, was die Ansammlung metallischer Partikel auf der Wellenoberfläche verhindert. Zudem arbeitet er langzeitstabil; sowohl bei extremen Temperaturen als auch bei Vibrationen liefert er robuste Daten. Dies konnte durch erfolgreiche Langzeitstabilitätstests wie Wöhler-Versuche und Robustness-Tests nachgewiesen werden. Krafteinwirkungen und Torsion auf die Welle wirken sich annähernd linear auf die Magnetfeldänderung aus; eine hohe Genauigkeit beziehungsweise Linearität des Sensorsystems ist somit realisierbar.
Die auf die Welle einwirkende Kraft oder das anliegende Drehmoment rufen proportionale Lageverschiebungen im Magnetfeld hervor. Diese werden mit Hilfe hochauflösender Magnetfeld-Spulen in einer Entfernung bis zu 1 mm Abstand zur Welle detektiert. Aus Gründen der Differentialmessung handelt es sich mindestens um ein Spulen-Paar, wobei jede Spule eines Spulenpaars jeweils eines der Magnetfelder unterschiedlicher Richtung detektiert. Je höher die Genauigkeitsanforderungen sind, desto mehr Spulenpaare (in der Regel bis zu vier) werden um den kodierten Bereich der Welle angeordnet. Die Spulen werden auf Spulenboards in einen Spulenhalter montiert und somit in fester Position zur Welle gehalten.
Die Elektronik des Sensorsystems wandelt die Magnetfeldveränderungen der Welle in sichtbare und damit nutzbare elektrische Signale um.
Anwendung bei Getrieben, Bremsen und Lenkung
Derzeit wird für die Regelung von Automatikgetrieben überwiegend die vom Motorsteuergerät errechnete Motorleistung verwendet. Baut man jedoch im Getriebe einen NCTE-Sensor ein, kann dieser das anliegende Drehmoment und damit die Motorleistung in Echtzeit messen. Dadurch lassen sich die Zeitpunkte, zu denen geschaltet wird, optimieren. Dies führt zu einer höheren Leistungsausbeute sowie zur Einsparung von Kraftstoff – ein Effekt, der angesichts steigender Energiekosten immer attraktiver wird. Beim Chip-Tuning, bei dem eine nachträgliche Änderung der Steuerparameter der elektronischen Steuerung die Leistung des Motors steigert, wird eine Überlastung des Getriebes durch die Messung der Motorleistung im Getriebe vermieden.
Auch in anderen Bereichen leisten Drehmomentsensoren gute Dienste. Werden die Bolzen, die den Bremssattel halten, mit Sensoren ausgestattet, können diese die Scherkraft messen und so die auftretenden Bremskräfte genau bestimmen. Durch die Messung des Drehmoments, das der Fahrer beim Lenken aufbringt, lässt sich zudem exakt bestimmen, mit welcher Kraft die Servolenkung die Lenkbewegung zusätzlich unterstützen muss.
Zuverlässige Daten für die Fahrzeugerprobung
In der Fahrzeugerprobung liefert der Sensor ebenfalls präzise und zuverlässig relevante Daten. So misst er etwa das Drehmoment, das an Antriebswellen und Differenzialen anliegt. Auch die Leistung von herkömmlichen und alternativen Antrieben lässt sich durch den Sensor bestimmen. Zudem können beim Getriebe Drehmomente, die durch Nebenaggregate abgezweigt werden, erfasst werden.
Ersetzt man beim Fahrwerkstest die Schrauben, mit denen der Stoßdämpfer befestigt ist, durch Lastmessbolzen, messen diese anschließend die auftretenden Kräfte. Bei Cabrio-Verdecken lässt sich exakt feststellen, welche Kräfte beim Öffnen und Schließen im Verdeckgestänge entstehen, indem die Verdeckgelenkschrauben durch Lastmessbolzen ersetzt werden.
Motorsport: eine Herausforderung für Sensoren
Am Getriebeeingang eines Formel 1-Rennwagens etwa misst der Sensor die Motorleistung und ist somit ein wertvolles Analyseinstrument für Rennfahrer und Mechaniker. In der Formula Student, der „kleinen Schwester“ der Formel 1, wird der Sensor an den Antriebswellen angebracht, um die Fahrwerksabstimmung zu verbessern.
In anderen Motorsportbereichen wie Formel 3, Deutsche Tourenwagen-Masters, Le Mans 24 Hours, Drag Racing, Rally und Gokart wird der berührungslose Drehmomentsensor ebenfalls erfolgreich eingesetzt. Damit beweist der Sensor: Auch unter schwierigsten Umweltbedingungen lassen sich die am Fahrzeug auftretenden Kräfte exakt messen.
NCTE; Telefon: 089 665619-46; E-Mail: joachim.heckler@ncte.de
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