Der Forderung nach Reduzierung von Verbrauch und CO2-Emissionen begegnen die Autobauer mit konsequenten Maßnahmen zum Leichtbau. Dabei zählt jedes Kilogramm. Auch im Motorraum kommen zunehmend leichtere Werkstoffe zum Einsatz. Oft sehr komplexe Bauteile aus faserverstärkten Kunststoffen trotzen dort einem aggressiven Umfeld und reduzieren Gewicht und Kosten.
„Technische Kunststoffe sind Wegbereiter für die automobile Zukunft“, sind die Verantwortlichen bei Ticona überzeugt. Beim weltweit führenden Hersteller von technischen Kunststoffen sieht man die Gründe hierfür in der Tatsache, dass die Kunststoffe – leicht und mit maßgeschneiderten Eigenschaften – Bauteile aus Metall ersetzen. Darüber hinaus steigern sie Leistung und Sicherheit und helfen, den Kraftstoffverbrauch und damit die CO2-Emissionen zu senken.
Der Kunststoffanteil im Kfz inklusive Komponenten für Antriebsstrang und Kraftstoffversorgung liegt heute schon über 15 % und wird Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2012 auf rund 20 % wachsen. Einen wesentlichen Anteil daran haben Interieur-, Kofferraum- und Anbauteile.
Aber auch im Motorraum haben faserverstärkte Kunststoffe trotz eines aggressiven Umfeldes nicht unerhebliche Anteile erobert. Sie widerstehen dabei extremen Temperaturbelastungen, aggressiven Medien wie Ölen und Treibstoffen, aber auch Schwingungen jedweder Art. Die Vorteile des Einsatzes faserverstärkter Kunststoffe sieht Hans Janßen, Leiter Vorausentwicklung bei Polytec Riesselmann in Lohne, zum einen in der erheblichen Gewichtsreduk- tion, die bei der Substitution von Aluminium (spez. Gewicht 2,7 g/cm3) durch Kunststoff (1,35 g/cm3) bei rund 50 % liegt. Hervorzuheben sind aber auch weitere Faktoren, die für den Einsatz der Kunststoffe sprechen. „Mit der Gewichtsreduktion geht meistens eine erhebliche Kostenreduktion in Größenordnungen von 30 bis 40 Prozent einher“, weiß der erfahrene Entwickler. Das hänge allerdings von der jeweiligen Konstruktion ab.
Kunststoffe erlauben komplexe Strukturen
Einen entscheidenden Vorteil sieht Janßen – er ist im Werk Lohne zuständig für die Entwicklung von Spritzgussmodulen, die in mehreren Werken der Polytec-Gruppe produziert werden – darin, dass mit Kunststoffen im Gegensatz zu Aluminium komplexe Strukturen durch Schweißen (Reibschweißen oder verschiedene andere Schweißverfahren) von Bauteilen hergestellt werden können. „Darüber hinaus können wir beispielsweise auch Feinölabscheider einbauen oder komplexe Druckregel- und Rückschlagventile integrieren “, spricht er die Möglichkeiten an. All das wird in Werkzeugen realisiert, die eine Million Schuss, zum Teil sogar zwei bis fünf Millionen Schuss überleben. Aluminiumwerkzeuge zeigen dagegen oft schon nach 100.000 Schuss Risse und müssen ersetzt werden. Beim Spritzen komplexer Bauteile, die zum Beispiel sehr dünne Rippen aufweisen können, ist der Kunststoff im Werkzeug vergleichsweise weich und lässt sich leicht entformen, ohne Nacharbeiten erforderlich zu machen. Aluminium dagegen ist ein recht harter Werkstoff, der größere Formschrägen erfordert und die Formen mehr angreift.
„Je größer die Stückzahl der Teile, umso mehr rechnet sich der Einsatz von Kunststoffen“, hebt Janßen hervor. Wenn es in die Millionen gehe, könne man mit einem Werkzeug fünf bis sechs Jahre produzieren.
Angesprochen auf die verwendeten Kunststoffe sagt Janßen: „Im Motorraum setzen wir vorwiegend Polyamid mit Glasfaser ein.“ So habe sich Polyamid 66 mit Glasfaseranteilen von 30 und 50 % oder auch mehr sehr bewährt. Eine hohe Eigensteifigkeit und sehr gute Temperatureigenschaften, aber auch ein akzeptables Preisniveau würden diesen Werkstoff kennzeichnen. Polyamid komme mit den Temperaturen im Motorraum gut klar und sei daher der Hauptwerkstoff für die Spritzgusssparte.
Ein Beispiel für komplexe Bauteile sind Zylinderkopfhauben, die auch Funktionen am Motor übernehmen. Nockenwellen liegen darunter und das heiße Öl spritzt. Deshalb ist die Funktion Ölabscheiden schon integriert. Ein solches komplexes Bauteil ist zum Beispiel die Zylinderkopfhaube des VW 2,0 l CR Common Rail mit geschaltetem Zyklonsystem. Dem fertigen Bauteil gehen Arbeitsgänge wie Spritzgießen, Vibrationsschweißen, Montage sowie Funktions- und Dichtigkeitsprüfung voraus.
Bewährten Einsatz finden auch Motorabdeckungen zur Schallabsorption. So fertigt Polytec für die BMW Premiumfahrzeuge 7er, X5 und X6 die Schallabsorptionshaube BMW N-63 für 8-Zylindermotoren, die aus einem Rezyclat mit der Materialbezeichnung PA 6 GF 10 M 20 Rec. (Pentamid) hergestellt wird.
Immer häufiger sind strukturviskose Polyamid 6- und 66-Typen als Werkstoff für Bauteile im Luftmanagement von Motoren eine kostenattraktive Alternative zu Elastomer-Kombinationen und Spezialthermoplasten. Sie lassen sich wirtschaftlich im Extrusions- und Saugblasformverfahren etwa zu Luftführungen, Ladeluft- und Reinluftleitungen verarbeiten. Ein Beispiel hierfür ist das Ladeluftrohr eines Vierzylinder-Ottomotors mit Turbolader für die Mittelklasse-Limousine eines US-Automobilherstellers. Es besteht aus Durethan AKV 325 H2.0 von Lanxess, einem der wenigen im Markt erhältlichen strukturviskosen Polyamid 66-Typen mit einer Glasfaserverstärkung von 25 %. Dieses Bauteil zählt zu den ersten blasgeformten Ladeluftrohren aus diesem Werkstoff, das in Serie auf der „heißen Seite“ des Ladeluftkühlers eingesetzt wird. Das rund 1 m lange Formteil mit Querschnitten von rund 50 mm verbindet den Turbolader mit dem Ladeluftkühler und ist neben einer hohen Druck- vor allem einer starken thermischen Dauerbelastung ausgesetzt.
„Dank seiner speziellen Hitzestabilisierung übersteht das Material Temperaturspitzen von bis zu 200 Grad Celsius“, erklärt Ludger Meinerding, Key Account Manager in der Business Unit Semi-Cristalline Products von Lanxess.
Auch bei der Produktion von Gehäusen für Kraftstofffilter erweist sich Polyamid 6 in vielen Fällen als wirtschaftliche und leistungsfähige Alternative zu Druckgussaluminium.
Polyamid bewährt sich im Motorraum
Mann + Hummel, einer der führenden Hersteller von Filter- und Ansaugsystemen für die Fahrzeug- und Maschinenbauindustrie, fertigt zum Beispiel einen Kraftstofffilter für die Oberklassenlimousine eines deutschen Automobilherstellers. Gehäuse und Deckel sind aus Durethan DP BCF 30 X H2.0 gefertigt, einem mit 30 Gewichtsprozent Glas- und Carbonfasern verstärkten Polyamid 6 von Lanxess. „Für den Einsatz unseres elektrisch leitfähigen Materials sprach vor allem, dass es im Gegensatz zu Druckgussaluminium Bauteile ergibt, die nur eine geringe Nachbearbeitung erfordern und dass es die Folgemontage vereinfacht“, erklärt Bernhard Stoll, Experte im technischen Kundendienst bei Lanxess.
Schon die wenigen Beispiele machen deutlich, welch entscheidende Rolle faserverstärkte Kunststoffe mit Blick auf Gewichtsreduzierung, aber auch auf eine wirtschaftlichere Fertigung verbunden mit einer prägnanten Kostenreduzierung spielen können.
Polytec Riesselmann;
Telefon: 04442 950-187; E-Mail: Hans.Janssen@polytec-group.com
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