Außergewöhnlich gestaltete Lichtsysteme sind gefragt. Bestanden die Leuchten bisher im Wesent- lichen aus funktional gestalteten Beleuchtungssystemen, so ist ein deutlicher Wandel in Technik und Design zu beobachten. Konventionelle Glühlampen werden sukzessive durch Leuchtdioden (LEDs) ersetzt, immer mehr Lichtleitertechnik hält im Fahrzeug Einzug. Diese Entwicklung greift Technologiespezialist Bertrandt auf: Auf der IAA 2013 präsentiert Bertrandt einen Voll-LED-Scheinwerfer, der konzernübergreifend entwickelt und als Lichtmuster-Unikat hergestellt wurde.
Die Autoren: Michael Hage, Bertrandt AG, Ehningen, Detlef Decker, Franz Jerg, Christoph Schelhammer, Bertrandt Technikum GmbH
Das aktuelle Scheinwerfer-Exponat der IAA 2013 ist die Weiterentwicklung der vor zwei Jahren präsentierten Rückleuchte. Das Grunddesign bezieht sich auf ein Fahrzeug der unteren Mittelklasse, wobei alle zentralen Elemente wie Abblendlichtreflektor, Fernlichtreflektor, Tagfahrlichtsignatur und Fahrtrichtungsanzeiger berücksichtigt wurden. Im nächsten Schritt erfolgte in Interaktion zwischen Design, Konstruktion und Strakflächenerstellung die Beurteilung und Berechnung der technischen Umsetzbarkeit des Konzeptes. Hierbei standen zwei zentrale Punkte im Vordergrund: Die Photometrie und das Thermomanagement mit der Enttauung.
Festlegung des Konzepts
Bertrandt entschied sich für ein unverwechselbares Erscheinungsbild: Die Hauptfunktionen des Scheinwerfers wurden jeweils mit einem großflächigen effizienten Umlenkreflektor realisiert. An der Oberseite der Abblend- und Fernlicht-Reflektorfläche wurde eine leistungsstarke Mehr-Chip-Leuchtdiode positioniert. Ihr Licht wird durch die Reflektorflächen in die ECE-Lichtverteilung geformt. Das Thermomanagement der Hauptlichtfunktionen koppelten die Ingenieure mit dem Enttauungskonzept für die Kunststoffabschluss-Scheibe (KAS): Hierbei sind die Kühlkörper der beiden Hauptlichtfunktionen, in die die Wärme der Hochleistungs-LED geleitet wird, kanalförmig ausgelegt. Ein Lüfter transportiert kühle Luft hindurch, die nach Erwärmung an die Vorderseite des Scheinwerfers weitergeleitet wird. Nach dem Umströmen der KAS-Innenseite gelangt die Luft, die sich hierbei abkühlt, wieder an die Rückseite des Scheinwerfers, sodass ein geschlossener Kreislauf zur Kühlung und Enttauung entsteht.
Für das Tagfahrlicht (nachts gedimmt: Positionslicht) und den Fahrtrichtungsanzeiger wurde jeweils ein „EdgeLight“-Konzept definiert: Mithilfe von LEDs koppelten die Entwickler an den Rückseiten von massiven Flächenlichtleitern Licht ein. Durch die spezielle Ausformung der Grundgeometrie sowie der Anpassung der Ein- und Auskopplungsoptiken ließen sich mit dieser Technik individuelle Signaturen realisieren.
Konstruktion und erste Baustufe
Anschließend wurden die Class-A-Flächen niederlassungsübergreifend in der Konstruktion, Simulation und Fertigung modelliert. Besonderen Wert legten die Ingenieure auf die sorgfältige Gestaltung des direkten Sichtbereichs. Danach wurde das Konzept verifiziert sowie die Positionen der LEDs und Platinen erarbeitet. Damit sich die Sperrschichttemperaturen der LEDs in einem unkritischen Bereich befinden, wurden Kühlkörper und Basisplatte mittels Wärmesimulation dimensioniert. Die photo-metrische Auslegung mit der Software „Lucid Shape“ ermöglichte für das Abblend- und Fernlicht eine hohe Reflektor-Effizienz. Die Reflektor-Flächen wurden so angepasst, dass Dunkelstellen auf der Fahrbahn vermieden werden. Mit dieser Bearbeitungsgrundlage konnte gleichzeitig die virtuelle und physikalisch korrekte Darstellung bei Tag und Nacht realisiert werden.
Hardware-Aufbau
Anschließend begann die Anfertigung des Hardware-Prototypen im Bertrandt-Leuchtenstudio. Die Oberflächen- bzw. Volumendaten von Lichtsystemen wurden konstruktiv und aufbautechnisch detailliert und mithilfe der Stereolithographie hergestellt. Für stärker beanspruchte Komponenten wurde mit dem Lasersinter-Verfahren gearbeitet. Für zu metallisierende Teile setzten die Ingenieure die Printtechnologie ein. Im nächsten Schritt wurde die Kunststoffabschluss-Scheibe gefräst. Durch die mehrstufige präzise Bearbeitung der Fünf-Achs-Highspeed-Fräsmaschine entstand eine glatte, verzerrungsfreie Oberfläche. Diese Perfektion ist für die photometrische Leistung sowie das Erscheinungsbild von automobilen Lichtsystemen sehr wichtig und basiert auf vier Parametern:
- exakte geometrische Reproduktion aller lichttechnisch relevanten Flächen
- höchste Präzision der optischen Oberflächen
- Verwendung von transparenten Materialien in optischer Serienqualität
- Positionierung der lichttechnischen Komponenten mit vorgegebenen Toleranzen
Zudem müssen Prozessabläufe in der Fertigung exakt eingehalten werden. Da viele Komponenten eine manuelle Bearbeitung erfordern, ist zusätzlich zum Geschick der Mitarbeiter lichttechnisches Know-how und die Sensibilität für Einflüsse bei optischen Systemen notwendig.
Elektronikentwicklung
Um den LED-Scheinwerfer anzusteuern, werden verschiedene Elektrik- und Elektronik-Komponenten benötigt. Die steigende Komplexität der Lichtsysteme erfordert dabei sehr flexible Ansteuerungselektroniken. Bertrandt setzte hierfür ein Universal-LED-Steuergerät ein, das auf der Modularität von Hardware- und Software-Komponenten basiert. So können die betroffenen Module schnell und kostengünstig angepasst oder erweitert werden.
Das Universal LED-Steuergerät wurde speziell zur Umsetzung von aktiven LED-Scheinwerfer- und -Leuchtenprototypen entwickelt. Über einen leistungsfähigen 32-Bit-Mikrocontroller können verschiedenste Lichtfunktionen und Ansteuermuster realisiert werden. Die modul are Applikationssoftware basiert auf einem Echtzeitbetriebssystem und ermöglicht so eine schnelle und individuelle Implementierung neuer Funktionen. Über eine Bluetooth- und WLAN-Verbindung kann die Ansteuerung und Konfiguration des Leuchtenmusters via Laptop oder über eine intuitiv zu bedienende Android-App auf dem Smartphone oder Tablet erfolgen.
Darüber hinaus verfügt das Steuergerät über eine DMX-Schnittstelle, wodurch kommerzielle Tools zur Konfiguration und Bedienung von komplexeren Lichtanimationen, hauptsächlich in Einzel-LED-Ansteuerung, effektiv integriert werden können. Über die LED-Treibermodule können die LEDs einzeln oder in Clusteransteuerung in verschiedenen Leistungsklassen dimmbar angesteuert werden. Ein weiteres Modul mit CAN- und LIN-Interfaces ermöglicht es, das Steuergerät und den Scheinwerferprototypen direkt in ein Fahrzeug zu integrieren.
Ausblick
Der technologische Wandel von der Glühlampe zur LED vollzieht sich rasch. Um neue optische Systeme im Automobil zu integrieren, hat Bertrandt die Entwicklung anspruchsvoller lichttechnischer Bauteile und Systeme an sieben Lichttechnikzentren konzentriert.
Bertrandt, Tel.: 070 34656-4037, anja.schauser@de.bertrandt.com
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