In wenigen Wochen wird der neue AMG GT bei den Händlern stehen. Wir sprechen mit Tobias Moers, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Mercedes-AMG GmbH, über die Eigenschaften und den Werkstoffmix, mit denen der Newcomer das klassische Sportwagensegment aufmischen soll.
Das Interview führte Jürgen Goroncy, freier Mitarbeiter der AutomobilKonstruktion
Warum steigt AMG in das wettbewerbsintensive Sportwagensegment ein und baut keinen Nachfolger für den SLS?
Moers: Da gibt es mehrere Gründe. Zum enen war uns klar, dass ein Nachfolger des Solitärs SLS keinen Sinn macht. Zum anderen will AMG als Sportwagenschmiede dort, wo die Musik spielt, wo der Wettbewerb sehr intensiv ist, seine Kompetenz beweisen. Und das ist nun mal im klassischen Sportwagensegment. Außerdem versteht sich AMG als sehr nahbare Sportwagenmarke, deshalb sollte der GT auch preislich einen größeren Kundenkreis ansprechen als der SLS.
Also ist der GT eine direkte Antwort auf den Porsche 911?
Moers: Im Sportwagensegment tummeln sich viele interessante Modelle, darunter auch eine Ikone aus Zuffenhausen. Wir stellen uns mit dem GT bewusst diesem intensiven Wettbewerb.
Spielt AMG auch bei den Werkstoffen die Rolle eines Versuchslabors für Daimler?
Moers: In gewisser Weise schon. Wir pflegen einen intensiven Austausch mit den Kollegen in Sindelfingen und Untertürkheim und arbeiten gemeinsam an innovativen Lösungen. Beispielsweise haben wir im SLS AMG konzernweit die erste Karosserie komplett aus Aluminium realisiert. Danach kam dann der Mercedes-Benz SL, und der Mercedes-AMG GT hat ebenfalls eine Aluminiumkarosserie. Die Karosserie besteht zu mehr als 90 Prozent aus Aluminiumteilen. Prägnante Ausnahmen sind die Motorhaube aus Magnesium und der Heckdeckel aus Stahl. Bei diesen Bauteilen war die Materialwahl von der Gewichtsverteilung des Gesamtfahrzeugs geleitet. Mit 47 zu 53 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse hat der GT eine gute Balance, die den Heckantrieb vorteilhaft zur Geltung bringt.
Zur Reduzierung der ungefederten Massen bestehen Dreieckslenker, Achsschenkel und Radträger an Vorder- und Hinterachse komplett aus geschmiedetem Aluminium. Gewicht spart auch die Antriebswelle aus Karbonfasern, die nur vier Kilogramm wiegt und damit um 50 Prozent leichter als eine Stahlwelle ist.
Warum hat AMG nicht – ähnlich wie BMW beim i3 – voll auf eine Kohlefaser- Außenhaut gesetzt?
Moers: Bei einem Projekt wie dem GT stellen sich immer Fragen wie: Mit wem finanziert man solche Werkstoffgeschichten und mit wem kann man sie optimal umsetzen? Wir hatten uns mit dem SLS AMG bereits eine ausgeprägte Aluminium-Kompetenz erarbeitet. Beim GT bauen wir nun darauf auf und haben uns daher – nicht zuletzt auch aus wirtschaftlichen Gründen – für eine Vollaluminiumstruktur entschieden.
Kann AMG überhaupt Kohlefaser?
Moers: Ja natürlich. Auch in der CFK-Technologie haben wir fundiertes Know-how aufgebaut: So war beispielsweise der CFK-Tunnel das tragende Rückgrat des SLS AMG Electric Drive, integriert in den Aluminium-Rohbau. Eine echte Innovation – ebenso wie die Torque Tube des SLS AMG Black Series.
Der SLS lehnte sich eng an das Vorbild 300 SL an. Gibt es beim GT auch solche Traditionsanklänge oder ist er von klassischen Vorbildern losgelöst?
Moers: Eher letzteres. Der SLS AMG war ganz klar eine Hommage an den legendären 300 SL mit seinen Flügeltüren. Der GT hingegen schaut nach vorne, er interpretiert das Thema Sportwagen neu. Er ist hochemotional, hat einen starken V8-Motor mit gutem Sound und eine begeisternde Fahrdynamik.
Inwieweit beeinflussen die Emissionsgrenzwerte die Antriebsentwicklung bei AMG? Wann wird es den ersten Hybridantrieb geben?
Moers: Bleiben wir doch in der Gegenwart. Mit seinem Verbrauch von 9,3 Litern pro 100 Kilometer ist das Aggregat des GT der neue Benchmark, den es im V8-Sportwagensegment zu schlagen gilt.
Was wird der GT kosten?
Moers: Die Variante GT wird es ab 115.430 Euro geben, den leistungsstärkeren GT S ab 134.351 Euro und GT S „Edition 1“ ab 148.512 Euro.
Wie wird AMG den GT vermarkten?
Moers: Generell werden AMG-Modelle in einem Shop-in-Shop-Konzept über die Mercedes-Benz-Vertriebskanäle verkauft. Für dieses Konzept haben wir bereits unsere für 2017 geplante Marktabdeckung erreicht und verfügen derzeit über etwa 400 AMG Performance Center in 27 Ländern. Dazu bilden wir laufend Vertriebspersonal aus, das im Verkaufsraum und im Aftersales technisch kompetent unsere Kunden betreuen kann.
Zur Person
Dipl.-Wirtschaftsingenieur (FH) Tobias Moers (48) studierte an der Fachhochschule Offenburg Maschinenbau. Vor seinem Einstieg bei AMG im Jahr 1994 war er an der Entwicklung eines Elektrofahrzeugkonzepts beteiligt. Bei AMG übernahm er zunächst die Projektleitungs- und Entwicklungsverantwortung für verschiedene Aufgaben, ab 1999 die Gesamtverantwortung für die großen Baureihen der Marke AMG. Seit 2002 verantwortet er die Produktentstehung sämtlicher AMG-Baureihen. In diese Phase fällt auch der 2009 präsentierte Supersportwagen SLS AMG. Im Jahr 2011 wurde Moers zum Mitglied der Geschäftsführung berufen, seit Oktober 2013 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der Mercedes-AMG GmbH.
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