Mit dem sogenannten Carbon Carrier haben Bertrandt und die SGL Group in enger Kooperation einen Technologieträger für den Instrumententafelträger entwickelt, ein neuartiges Konzept für innovative Innenraumstrukturen. Der Carbon Carrier kombiniert Faserverbund-basierten Leichtbau und Funktionsintegration und ist ein Beispiel für den modernen Materialmix im Automobil. In einem ersten gemeinsamen Ansatz wurde dazu Carbon-Wissen gebündelt – mit dem Ziel, einen großserienfähigen Faserverbund-Technologieträger zu entwickeln, der neue Konfigurations- beziehungsweise Designmöglichkeiten bietet, aber auch bei ‚konservativen‘ Fahrzeugen angewandt werden kann. Die Faserverbundstruktur ermöglicht neue Designsprachen, insbesondere für E-Fahrzeuge.
Änderungen in der Fahrzeugstruktur
Die größte Herausforderung bei der Entwicklung des Carbon-Carrier war es, für jedes komplexe Bauteil die optimale Konfiguration aus Matrix- und Faserwerkstoff, Faserlänge, -anteil und -orientierung, Lagenaufbau und Prozesstechnik zu finden, die die verschiedenen Anforderungen erfüllt. In der Fahrzeugstruktur sind dazu Änderungen notwendig, um Energiespeicher vor Intrusion und zu hohen Beschleunigungen zu schützen. Package-seitig müssen Energieträger, wie Wasserstofftanks oder Batteriepacks, untergebracht werden, was zu höheren Bodengruppen und/oder Sitzpositionen führt und den Trend zu SUV und Van bestätigt. Bei sportlicheren Fahrzeugen sollen Speichermodule über das Fahrzeug verteilt werden und trotzdem als eine Batterie funktionieren. Der Wegfall von klassischen Aggregaten und vor allem Abgassystemen schafft gleichzeitig aber auch Platz, der für den E-Antrieb und die Speicherkomponenten genutzt werden kann, dann aber gegebenenfalls als Teil der Crashstruktur wegfallen muss.
Technologieträger mit komplexer Materialstruktur
Die Struktur des Carbon-Carriers ist profilintensiv ausgeführt, beschränkt sich aber nicht nur auf diese Technologie. Strukturell relevante Komponenten, wie die beiden Profilschalen des Instrumententafelträgers, die vorderen Z-Stützen, die beiden sichtbaren Längsträger und die für deren Anbindung an den Vorderwagen entwickelte Konsole bauen auf dieser Technologie auf. Durch Pultrusion lassen sich gekrümmte Kunststoffprofile herstellen.
Die beiden in Fahrtrichtung ausgerichteten, geschwungenen Längsträger bestehen aus einem Hybridgeflecht aus Carbon- und Glasfasern, die um einen offenporigen Polyurethan-Schaum geflochten werden, der zur Erhöhung der Steifigkeit im Bauteil verbleibt. Durch dieses Verfahren bleiben die Kohlefasern mit ihrer typischen Ästhetik ohne Nachbearbeitung sichtbar. Während die beiden Profile im Bodenbereich verschraubt werden, münden sie im vorderen Bereich in eine Kunststoffkonsole, die zwei Funktionen hat:
- die Anbindung des Carbon-Carriers an die Karosseriestruktur mitsamt der Lasteinleitung sowie
- das Unterbinden von Seitwärtsbewegungen der nicht parallel verlaufenden Profile.
Bei diesem Bauteil werden, wie bei den Profilen im Tow-Preg-Verfahren, vorimprägnierte Fasern um die Profileinfassung aus Sheet Molding Compound (SMC), beziehungsweise Bulk Molding Compound (BMC) gewickelt.
Die Funktionsintegration und Aussteifung erfolgt durch das Umspritzen und Verrippen von tiefgezogenen Fasermatten (Organoblechen). Diese Technologie wird vor allem bei der oberen Schale des Querträgers eingesetzt. Die Kooperationspartner Bertrandt und SGL Group nehmen hier den Wegfall unterschiedlicher Strukturen für Rechts- und Linkslenker vorweg. Die Integration von Klimakomponenten, Lenksäulenaufnahme und Airbags wird in einem spiegelbildlichen und hochintegrativen Strukturbauteil abgebildet. Die obere Schale wird mit der nassgepressten Unterschale verklebt, dadurch geschlossen und seitlich über ein neu entwickeltes Hardware-Toleranzmanagement mit den beiden A-Säulen verbunden.
Das Modell beinhaltet alle wichtigen Funktions- und Verkleidungsteile einer klassischen Instrumententafel. Zudem wurde der Technologieträger um eine neu entwickelte Designsprache erweitert. So sollen für den Fahrer zentrale Lastpfade sichtbar und CFK-Elemente erlebbar gemacht werden. Auch die Strukturbauteile wurden neu gestaltet. Sie verleihen dem Interieur einen freien, leichten und schwebenden Eindruck.
Eignung für die Großserie im Blick
Bei der Entwicklung des Carbon-Carriers wurde darauf geachtet, dass die eingesetzten Bauteile, Technologien und Montage-Konzepte bereits heute oder in naher Zukunft großserienfähig sind. Besonders beim Elektroauto bedeutet weniger Gewicht mehr Reichweite. Der Technologieträger zeigt einen hohen Innovationsgrad und stellt dar, wie neuartige Strukturen in modernen Fahrzeugkonzepten zukünftig aufgebaut sein können. Als neuentwickeltes, integriertes Konzept für innovative Innenraumstrukturen kann er mit Großserien-OEM und Produzenten von Nischenfahrzeugen diskutiert und in deren Fahrzeugkonzepte überführt werden. Bertrandt und die SGL Group stellen mit dieser Projektarbeit die Möglichkeit vor, die wichtigsten Erkenntnisse und das Know-how beider Unternehmen für die Entwicklung und Produktion zusammenzuführen, um für die Kunden optimierte und fasergerechtere Bauteile und Gesamtsysteme entwickeln zu können. Das erarbeitete Wissen wird sowohl in weiteren gemeinsamen Projekten als auch in zukünftigen Kundenprojekten von Bertrandt und der SGL Group zum Einsatz kommen.
Direkt zum Bertrandt-Leistungsspektrum Entwicklung Interieur:
Mehr zum Thema Leichtbau