Wie so häufig, spielte sich die wahre Revolution im Verborgenen ab: Annähernd unbemerkt stellte 1981 McLaren den ersten Formel-1-Rennwagen mit einem Chassis aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) auf die überbreiten Slickreifen. Den Konstrukteuren ging es um hohe Steifigkeit und vor allem um geringes Gewicht. Sicherheit spielte damals im Motorsport noch
eine untergeordnete Rolle.
Aber schnell war klar, dass CFK auch in dieser Disziplin dem damals üblichen Aluminium überlegen war. Die Idee von McLaren fand rasch Nachahmer, und so gibt es seit 1986 kein Formel-1-Fahrzeug mehr, das nicht mit CFK-Chassis ausgerüstet ist. Sehr viel langwieriger war der Weg des exotischen Werkstoffs in den Serienfahrzeugbau. Er führte zunächst über extrem teure Supersportwagen, deren CFK-Bauteile aufwendig per Hand gefertigt wurden – die Kunden zahlten gerne für die Exklusivität.
BMW ist Vorreiter
Einen ersten wichtigen Schritt zur Produktion größerer Serien machte BMW mit den Elektrofahrzeugen i3 und i8. Richtig in Schwung kommt die Fertigung nun mit dem aktuellen BMW 7er. Zentrales Element ist die als Carbon Core bezeichnete Karosseriestruktur. Das intelligente Karosseriekonzept erreicht durch den Mischbauansatz von CFK, höchstfesten Stählen und Aluminium eine Steigerung von Festigkeit und Steifigkeit in der Fahrgastzelle bei gleichzeitig deutlich reduziertem Fahrzeuggewicht. Der neue BMW 7er ist laut Hersteller das erste Fahrzeug, bei dem industriell hergestelltes CFK im Verbund mit Stahl und Aluminium verwendet wird. Trotz deutlich
erweiterter Komfort- und Sicherheitsausstattung ist der BMW 7er so um bis zu 130 kg leichter als in der Vorgängergeneration. Wichtiger Kooperationspartner für BMW ist die SGL Group. Die CFK-
Geflechte für die Carbon-Core-Karosserie werden in einem vollautomatisierten Prozess bei SGL hergestellt und anschließend als sogenannte Preforms zur Bauteilfertigung direkt an BMW geliefert.
Forschungskonsortium verspricht neue Erkenntnisse
Nichtsdestotrotz gibt es bei der Nutzung der CFK-Technologie für Automotive-Anwendungen noch erheblichen Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Neue Erkenntnisse soll ein von der britischen
Regierung gefördertes Forschungs- und Entwicklungsprojekt für
carbonfaserbasierte Verbundwerkstoffe in der automobilen Serienfertigung liefern.
Unter der Leitung von SGL arbeiten acht britische Unternehmen an der Produktion von Bauteilen aus CFK für die Automobilindustrie. Das Projekt mit dem Namen „Thermoplastic Overmoulding of Structural Composites for Automotive Applications“ (TOSCAA) zielt darauf ab, die Technologie für die automobile Serienfertigung von thermoplastischen Bauteilen über alle Stufen der Wertschöpfungskette von SGL bis zum Automobilhersteller, im Projekt Jaguar Land Rover, weiterzuentwickeln. Dr. Grant Andrews, Technologieleiter am zuständigen SGL-Standort Muir of Ord in Frankreich: „Durch das TOSCAA-Projekt erweitern wir unser Fachwissen zur Nutzung von Carbonfasern in thermoplastischen Verbundwerkstoffen und unterstützen unsere Kunden bei der Anwendung von Carbonfasern im automobilen Sektor oder in anderen innovativen Anwendungen.“
Ford und Magna entwickeln zusammen
Auch Ford und der Zulieferer Magna haben in einem gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekt untersucht, welche Leichtbaumöglichkeiten und technische Herausforderungen bei der Verwendung von CFK-Verbundwerkstoffen zu erwarten sind. Die beiden Unternehmen haben zusammen das Konzept eines Subframes aus CFK entwickelt. Er ist ist ein wichtiger Bestandteil der Fahrzeugstruktur und dient als Motor- und Radaufnahme.
„Kooperationen sind für uns unerlässlich, um erfolgreich Leichtbaukomponenten herstellen zu können, die den Kraftstoffverbrauch reduzieren, ohne den Fahrkomfort, die Langlebigkeit oder die Sicherheit zu beeinträchtigen“, betont Mike Whitens, Director of Vehicle Enterprise Systems im Bereich Research and Advanced Engineering bei Ford. „Wir müssen auch in Zukunft daran arbeiten, diese Leichtbaulösungen kostengünstig darzustellen.“ Die gemeinsame Entwicklung des Subframe aus Carbonfaser-Verbundmaterial durch Magna und Ford sei ein hervorragendes Beispiel für die Kooperation im Hinblick auf fortschrittliche Materialien.
Statt aus 45 Stahlbauteilen wie beim konventionellen Träger besteht der neue Prototyp nur noch aus zwei CFK-Formbauteilen und vier Metallverstärkungen, das ist eine erhebliche Reduktion um 82 %. Im Vergleich zum Stahl- ist das CFK-Produkt laut Magna 34 % beziehungsweise 9,3 kg leichter.
Als Werkstoff kommt ein sogenanntes Sheet Molding Compound (SMC) zum Einsatz, eine in Platten angelieferte zähflüssige Masse aus kleingehäckselten Carbonfasern und Harz. In einem Presswerkzeug wird das SMC zu den CFK-Bauteilhälften geformt. Sie sind schon nach wenigen Minuten ausgehärtet und werden anschließend verklebt. Wie Magna erklärt, ist die Produktion dabei so vereinfacht, dass sich werkzeugseitige Kostenvorteile von 30 bis 40 % ergeben. Aktuell wird der Subframe bei Ford ausgiebig getestet. Ist das Ergebnis wie von Magna erwartet, ist mit einer raschen Umsetzung des Fertigungsverfahrens in die Serie zu rechnen.
„Wir müssen daran arbeiten,
diese Leichtbaulösungen
kostengünstig darzustellen“