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Brose nutzt Glas- statt Karbonfasern für Organobleche

Leichtbau
Brose nutzt Glas- statt Karbonfasern für Organobleche

Brose setzt auf mit Glasfasergewebe verstärkte Thermoplaste für effizienten und wirtschaftlichen Leichtbau. Mit dem erfolgreichen Anlauf der Produktion einer Durchlade für die Rücksitzbank des neuen Land Rover Discovery stellt das Familienunternehmen erstmals seine Großserienkompetenz bei Produkten aus dem auch Organoblech genannten Material unter Beweis.

Jürgen Goroncy, freier Mitarbeiter der KEM Automobilkonstruktion

Weiterentwickelte Werkstoffe sind ein von OEMs und Zulieferern vielgenutztes Mittel im Leichtbau. Materialsubstitution dient vor allem dazu, größere Strukturbauteile auf Diät zu setzen. Neben hochfesten Stählen und Leichtmetallen wie Aluminium stehen seit einiger Zeit auch faserverstärkte Kunststoffe im Fokus der Entwickler. Der bekannteste Vertreter dieser Gattung ist karbonfaserverstärkter Kunststoff (CFK). Trotz seiner hervorragenden Eigenschaften eignet sich das Material wegen der hohen Kosten aber häufig nicht für den breiten Einsatz. Die Aufgabe für Brose war es, innovative Lösungen für sinnvollen sowie bezahlbaren Leichtbau zu finden – und diese erfolgreich in die Serienfertigung zu bringen.

Glasfasergewebeverstärkte Thermoplaste sind eine interessante Alternative. Zwar haben diese im Vergleich zur Karbonfaser-Version leichte Nachteile bei einigen Eigenschaften, entscheiden aber den Preisvergleich deutlich für sich. Bei der Werkstoffgruppe sind eine oder mehrere Lagen Glasfasern in eine Matrix aus Kunststoff eingebettet. Wird das auch Organoblech genannte Material erwärmt, erhält es eine wachsweiche Konsistenz und lässt sich in die gewünschte Form pressen. Durch Hinterspritzen können gleichzeitig lokale Verstärkungen und Funktionselemente aus Kunststoff angebracht werden. Diesen Prozess kann eine konventionelle Spritzgießmaschine mit entsprechenden Anpassungen taktneutral durchführen.

Materialsubstitution setzt Strukturteile auf Diät

Brose beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der zukunftsträchtigen Materialgruppe. Ende 2016 startete die automobile Großserienfertigung eines Strukturbauteils aus dem neuen Werkstoff. Die klappbare Durchlade für die Rücksitzbank des neuen Land Rover Discovery besteht aus sechslagigem Organoblech. Angespritzte Elemente wie eine Rippenstruktur und Schraubdome aus glasfaserverstärktem Polypropylen erhöhen die Steifigkeit und bieten Schnittstellen für Anbauteile. Im Vergleich zur herkömmlichen Variante aus Stahl mit rund 4 kg spart die Lade nicht nur etwa 40 Prozent des Gewichts ein, die neue Bauweise verringert auch die Komplexität und somit Werkzeugkosten: Durch die Hybrid-Spritzgussfertigung fallen zwölf Einzelteile und drei Schweißbaugruppen weg. Benötigte Stahlblechteile für die Aufnahme von Kopfstützenhülsen werden im Spritzgussprozess zugeführt und zeitgleich die erforderlichen Anschraublöcher faserschonend geformt. Weiterer Vorteil: Eine Oberflächenbehandlung zum Schutz vor Korrosion ist nicht mehr notwendig.

Der Anlauf der Durchlade erfolgte reibungslos, obwohl die Entwickler bei der Industrialisierung einige Herausforderungen bewältigen mussten. So betrug der Zeitrahmen von Auftragserhalt bis Produktionsstart der neuen Technik nur 21 Monate – und das für ein sicherheitsrelevantes Bauteil mit entsprechenden Freigabehürden. Daher kam dem Simultaneous Engineering eine besondere Bedeutung zu: Von Beginn an arbeiteten die Brose-Ingenieure in enger Abstimmung mit den Materialherstellern und Werkzeugbauern, um die Entwicklungszeit zu verkürzen. Auch das Greifersystem, das die erwärmten Halbzeuge vordrapiert und in die Spritzgussmaschine transportiert, wurde bereits in der Prototypenphase der Organo-Lade mitentwickelt und reifgemacht.

Schnellere Erkenntnisse dank Simulation

Weitere Zeiteinsparungen ergaben sich dadurch, dass Brose alle Versuche bis hin zu Temperatur-Crashtests im eigenen Haus durchführt. Zugleich waren dank effizienter Simulationsmethoden weniger Tests vonnöten. Durch die enge Verknüpfung von Computervorhersage und Realversuch wurden die etablierten Methoden stetig weiterentwickelt und tiefergehendes Materialverständnis gewonnen.

Beim Organoblech ist besonders die Simulation der Verarbeitungsschritte eine große Herausforderung: Die formgebenden Prozesse laufen ähnlich wie bei Metallblechen ab, die Verformungsmechanismen im Material sind aber andere. Im endlosfaserverstärkten Thermoplast tritt etwa kein plastisches Fließen, sondern eine Scherung des Gewebes auf. Genau hier sind verlässliche Vorhersagen jedoch besonders wichtig, da sich daraus die Zuschnittsgeometrie des Halbzeuges und das Werkzeugkonzept ableiten. Auch die Festigkeit der Bauteile an einzelnen Stellen wird stark von der lokalen Orientierung der Fasern beeinflusst, die erst während der Umformung zustande kommt. Die Eigenschaften des fertigen Produkts lassen sich also nur verlässlich vorhersagen, wenn auch die Herstellungsprozesse mitbetrachtet werden.

Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft

Nach der gelungenen Premiere folgen weitere Einsätze von Organoblech bei Brose-Produkten. Anfang 2018 startete die Fertigung des ersten Türsystems mit einer Trägerplatte aus dem Leichtbaumaterial. Im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen aus Stahl spart es bis zu 5 kg ein – ohne Einschränkungen bei der Crashsicherheit. Auch im Sitzbereich weitet Brose den Werkstoff systematisch auf weitere Komponenten aus – dafür wird die Weiterentwicklung auf werkstoffgerechte Schnittstellen und Verbindungstechniken zum Sitzumfeld sowie den ressourcenschonenden Materialeinsatz fokussiert.

Zusätzlich steckt auch in Organo-Durchladen noch Potenzial, etwa beim Werkstoff: Durch Anpassung verschiedener Variablen wie Lagengeometrie und -anzahl sowie Art und Orientierung der Fasern sind genau auf das Produkt und seinen Einsatzzweck zugeschnittene Materialeigenschaften möglich. Das erlaubt eine effizientere Konstruktion mit weiterer Gewichtseinsparung.

Außerdem lassen sich die Systemumfänge der Durchlade künftig sinnvoll erweitern: Einige Kunststoffelemente wie Abstandshalter für die Polster müssen bisher nachträglich an die Stahlstruktur angebaut werden. Dank der neuen Technologie sind sie künftig direkt in das Bauteil integrierbar. Das reduziert nochmals die Anzahl zusätzlicher Befestigungen und den Montageaufwand.

www.brose.com

Direkt zu den Produkten des Anbieters…
http://hier.pro/ya2dK


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