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Auf die kalte Art

Schweißen warmumgeformter Stähle im Karosseriebau von Volvo
Auf die kalte Art

Um höchste Produktqualität zu günstigen Preisen zu realisieren, vergleichen Entwickler und Fertigungsexperten von Volvo ihre Technologien und Methoden mit denen anderer Werke. So fanden die Verantwortlichen des schwedischen Stammwerkes Göteborg die Lösung mit der CMT-Technologie, um warmumgeformte hochfeste Karosseriebleche qualitativ und wirtschaftlich entsprechend ihren Ansprüchen zu schweißen.

Der Autor Gerd Trommer, Inhaber rgt Redaktionsbüro Gerd Trommer, Gernsheim, erstellte den Beitrag nach Informationen der Fronius International GmbH, A-Wels, sowie der Volco Car Corp., S-Göteburg

Innerhalb des Ford-Konzerns – Mutter der Volvo Car Corp. – pflegt man einen intensiven Informations- und Wissenstransfer. So erfuhren auch Johnny K. Larsson, Technical Spezialist BIW Joining Technologies, Joel Lundgren, Welding Technician und Mikael Carlsson, Process Engineer Manufacturing, von der Cold Metal Transfer (CMT)-Technologie. Diese überzeugt auch dann, wenn besonders schweißkritische Werkstoffe zu verbinden sind. Den Lichtbogen-Schweißprozess zeichnen beim Fügen dünner Bleche Eigenschaften wie hohe Spaltüberbrückung, geringer Wärmeeintrag, geringer Verzug der gefügten Bleche, nahezu Spritzerfreiheit und daraus resultierend wenig Nacharbeit aus. Diese Kriterien spielen im Göteborger Karosseriewerk für die Typen Volvo S80, V 70 und XC 70 eine wesentliche Rolle. Hinzu kommen Forderungen nach prozesssicherer Produktion, gerade bei unterschiedlich vergüteten Blechen der Marken „Usibor“ (beschichtet) oder „Boron“ (unbeschichtet), kürzeren Schweißzeiten, repräsentativer Nahtoptik sowie der Option, dünnere und speziell beschichtete Bleche verbauen zu können.
Warmumgeformte Stähle und MSG-Schweißen
Warmumgeformte hochfeste Stähle erhalten ihre mechanischen Eigenschaften durch Wärmebehandlungen und Abschrecken während des Umformens. Die thermo-mechanische Bearbeitung erzeugt hervorragendes Aushärtungsvermögen und sehr homogene Gefüge – Voraussetzungen für gutes Festigkeitsverhalten bei hohen mechanischen Beanspruchungen. Die Stähle zeigen in der Praxis sehr hohe Dauer- und Stoßfestigkeit und sind gegenüber Standardstählen mit hoher Streckgrenze bis zu 50 % leichter. Gegen Verzundern und Entkohlen während des Warmtiefziehens schützt sie eine Aluminium-Zirconium-Schicht. Diese kommt auch dem späteren Bauteil zugute, indem sie seine Korrosionsbeständigkeit erhöht.
Typische Anwendungen sind sicherheitsrelevante Strukturbauteile wie Stoßfänger, Türaufprallverstärkungen und vor allem A-, B- und C-Säulen sowie Boden- und Dachverstärkungen der Karosserie. Den zahlreichen positiven Eigenschaften der Usibor-Stähle stehen nach den Erfahrungen der Volvo-Experten beim thermischen Fügen mit Metall-Schutzgas (MSG)-Schweißverfahren jedoch einige Nachteile gegenüber. Diese Erfahrungen beziehen sich vor allem auf das Schweißen der Türscharniere und der Karosserierahmen: Der beträchtliche Wärmeeintrag während des MSG-Schweißens führt zu Verzug der Baugruppen. Schweißspritzer – besonders an augenfälligen Partien – erhöhen den Aufwand für Nacharbeit und das Risiko von optischen Mängeln. Ein sehr begrenztes Prozessfenster reduziert die Produktivität der Schweißzellen. Weil der Schweißprozess nicht effizient zu automatisieren ist, resultieren hohe Kosten aus der Fertigung und Nacharbeit. Weiter kostentreibend wirken sich die zerstörenden Materialprüfungen und das dafür erforderliche Personal aus.
Konkrete Empfehlungen für die Schweißparameter beim Fügen von Usibor mit Usibor oder auch mit anderen Stählen lagen nicht vor. Für jede Blechkombination mussten die Parameter einzeln ermittelt werden. In den Tests variierten die Schweißexperten von Volvo beispielsweise die Drahtvorschubgeschwindigkeit von 2 bis 8 m/min und so den Bereich des Kurz- bis zum Sprühlichtbogen. Der Brennerversatz wurde ebenso verändert wie die Schweißpositionen und die Drahtdurchmesser von 0,8 auf 1,0 mm des Schweißzusatzwerkstoffes G3Si1. Dabei mussten sie für jede Blechdickenkombination die passenden Parameter einzeln ermitteln. Beispielhaft ist die Paarung von 1 mit 1,2 mm dünnen Usibor-Blechen. Für diese Kombination war es jedoch nicht möglich, passende Parameter für eine reproduzierbare Produktion zu finden. Es traten immer wieder schwerwiegende Schweißfehler wie zu massiver Einbrand und Durchbrand auf. Versuche für weitere Paarungen mit dickeren Blechen ergaben teilweise weniger negative Ergebnisse. Jedoch genügten sie den Forderungen von Volvo an eine reproduzierbare Serienproduktion nicht. Hinzu kam ein Erfordernis, dass Joel Lundgren besonders störte: „Mit CMT haben wir eine Möglichkeit gewonnen, Verbindungen mit Boron-Stahl zu schweißen, die wir mit dem MAG-Prozess nicht hatten. Das betrifft auch Verbindungen zwischen Blechen geringer Dicke. Zusätzlicher Vorteil ist der fast vollständige Wegfall von Schweißspritzern.“
Gute Ergebnisse im großen Prozessfenster
„Kostengünstiger als Laser, bessere Qualität als MSG“, fasst Johnny K. Larsson seine Erfahrung mit CMT zusammen. Die Informationen über den Prozess gaben die Kollegen von Ford. Materialproben für Schweißversuche stellte der Stahllieferant zur Verfügung. Vertiefende Informationen und erste Versuchsschweißungen übernahm der Ausrüstungspartner für Schweißsysteme, Axson. Dessen Schweißexperte Patrick Gyllén erinnert sich: „Wir starteten mit den CMT-Schweißversuchen, ohne eigene Erfahrungen mit dem Werkstoff Usibor zu haben. Bereits nach wenigen Wochen erzielten wir immer bessere Ergebnisse bei gleichzeitig immer größer werdendem Prozessfenster.“
Die Resultate waren für Volvo Anlass, eigene Erfahrungen sammeln zu wollen. Dazu mietete die F&E-Abteilung Mitte 2008 ein CMT-System von Axson. Über die folgenden Erfahrungen berichtet Larsson: „Nach anfänglicher Skepsis gegenüber dem Lichtbogenschweißprozess hat CMT sehr überzeugt. Wir stellten fest, dass wir gegenüber dem Laserschweißen erheblich Kosten sparen. Und im Vergleich zum konventionellen MSG-Prozess liegen wir qualitativ deutlich vorne.“ Bereits im Oktober 2008 integrierte Volvo das ursprüngliche Versuchssystem in die laufende Produktion. Seit Sommer 2009 schweißen zwei neue Systeme „Transpuls Synergic 4000 CMT“ in der Karosserieproduk- tionslinie. Als Schweißer fungieren vorhandene ABB-Roboter. „Es war Rekord für uns. Bereits ein Jahr nach dem ersten Anstoß integrierten wir das erste CMT-System in die Produktion.“
Hochfeste Bleche im Volvo V70
Drei Usibor-Baugruppen sind im aktuellen Volvo V 70 integriert: Der hintere Stoßfänger (1,6 mm Blechdicke), die äußeren Türschweller (1,3 mm) sowie die C-Säulen (1 mm). Die Werte der beschichteten Stahlbleche nach dem Heißpressen:
  • Dehngrenze: 1050 bis 1100 MPa
  • Zugfestigkeit: 1500 bis 1550 MPa und
  • Dehnung: 5 bis 7 % .
Beim Heißpressen verändert sich die Mikrostruktur der etwa 45 µm dünnen Beschichtung und der Grenzzone des darunter liegenden Stahles. Für das Schweißen der Bleche per CMT-Technologie erhielt Volvo von Fronius die Synergie-Kennlinie 1053. Beim Schweißen der 1 mit 1,2 mm Bleche gehören dazu
  • das Schutzgas „Atal5“ mit 82 % Argon und 18 % CO2
  • 20 bis 22 mm Gasdüsendurchmesser
  • der Schweißzusatzwerkstoff G3Si1 (EN 440) mit 1 mm Durchmesser, 4 m/min Drahtvorschubgeschwindigkeit und 14 mm/s Schweißgeschwindigkeit.
Diese Randbedingungen definieren einen Schweißbereich, in dem Volvo zufriedenstellend fügen kann. Für die Paarung mit dickeren Blechen variieren jeweils nur die Drahtvorschub- und die Schweißgeschwindigkeiten, beispielsweise auf 8,5 m/min beziehungsweise 16 mm/s. „Dass wir mit CMT jetzt dünnere Bleche reproduzierbar fügen können, kommt unseren Leichtbauzielen sehr entgegen. Und die Möglichkeit, bisher nicht schweißbare Bleche zu fügen, gibt den Konstrukteuren einen zusätzlichen Freiheitsgrad,“ erklärt Mikael Carlsson. Und Larsson erklärt: „Wir wollen beim MSG-Schweißen künftig vorzugsweise CMT einsetzen.“
Erfahrungswissen kommt allen zugute
Ihre Erfahrungen halten die Göteborger akribisch fest: Im Vergleich zur Situation vor Einführung der CMT-Technologie haben sich Anlagenverfügbarkeit und Qualität deutlich erhöht. Während zuvor kein automatisierbarer Schweißprozess in den vorgegebenen Kriterien möglich war, beträgt der MTBF jetzt 19,5 h, das heißt nur eine Unterbrechung je (mehrschichtigem) Arbeitstag. Insgesamt 274 mm Schweißnaht beträgt der Arbeitsanteil eines Roboters je Karosserie. Die Tendenz geht bei der CMT-Anwendung deutlich weiter zu positiven Werten. Vor allem aber ist es die Qualität, die in Göteborg überzeugt. „Die kalte Schweißtechnologie CMT erreicht ein besseres Nahtaussehen und es entstehen kaum Spritzer, die an der Karosserie haften. Bemerkenswert ist auch, dass wir keine Schutzvorrichtungen mehr für die Gewinde brauchen und sie trotzdem funktionsfähig bleiben. Deshalb können wir die Reinigungsintervalle der Gasdüsen vergrößern. Die höhere Schweißgeschwindigkeit von CMT erlaubt uns zudem, die Taktzeit der Schweißzelle zu reduzieren“, so Joel Lundgren.
Fronius; Telefon: 0043 7242 241-0; E-Mail: sales.germany@fronius.com
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