Daimler-Chef Ola Källenius verkündete schon Ende 2019, man wolle sich zunächst auf Assistenzsysteme bis zu SAE Level 2 konzentrieren und die hohen Investitionen für das autonome Fahren in die Zukunft schieben. Continental-Chef Elmar Degenhardt ließ Ende April 2020 ähnliches verlauten. Und Corona gibt den ohnehin schon strapazierten Entwicklungsbudgets den Rest. Inzwischen muss auch dem Letzten klar geworden sein, dass selbstfahrende Autos in weite Ferne gerückt sind. Dabei ging man vor wenigen Jahren noch davon aus, dass schon Anfang dieses Jahrzehnts vollautomatisiertes Fahren nach SAE Level 4 in Serie gehen und Mitte der zwanziger Jahre gar autonome Fahrzeuge ohne Lenkrad nach SAE Level 5 die Straßen sicherer machen werden. Immerhin hatten Assistenzsysteme nach Level 1 und teilautomatisierte Fahrfunktionen nach Level 2 der SAE-Klassifikation (Society of American Engineers) in nur wenigen Jahren bis hinunter zu den Kleinwagen Fuß gefasst. Systeme wie ein Tempomat und Bremsassistent (Level 1) sowie Einparkhilfe oder Spurwechselassistent (Level 2) sind bereits in vielen Serienfahrzeugen zu finden. Sie unterstützen den Fahrer, nehmen ihm aber keine Entscheidung oder Verantwortung ab. Dies wird erstmals bei hochautomatisierten Fahrfunktionen nach Level 3 der Fall sein. Der Fahrer darf sich dann temporär anderen Tätigkeiten zuwenden, muss aber bei Bedarf die Fahrzeugführung rasch wieder übernehmen. So hat Audi im Flaggschiff A8 bereits einen Autobahn-Assistenten nach Level 3 an Bord, der das Fahrzeug auf Straßen mit getrennten Richtungsfahrbahnen im Stop-and-Go-Verkehr bis zu Tempo 60 über längere Strecken selbstständig bewegen kann. Allein, der Autobahn-Assistent ist noch nicht freigeschaltet, da es noch kein weltweit verbindliches Regel- und Rechtswerk zu hochautomatisierten Fahrfunktionen gibt.
Stolpersteine statt Meilensteine
Bislang unbeantwortet ist auch die juristische Frage: wer übernimmt die Verantwortung, wenn ein selbstfahrendes Auto einen Unfall verursacht? Denn hundertprozentig sicher arbeiten rechnergestützte Fahrfunktionen noch lange nicht. Sie stoßen in unübersichtlichen Situationen wie Baustellen oder bei sich regelwidrig verhaltenden Verkehrsteilnehmern an ihre Systemgrenzen. Außerdem haben Forscher des Max-Planck-Instituts nachgewiesen, dass schon simple Farbmuster die Objekterkennung der Systeme verwirren können. Software-Spezialisten der amerikanischen Firma McAfee wiederum haben ermittelt, dass für den Menschen einfach erkennbare Aufkleber auf Straßenschildern den Kameras andere Ziffern vorgaukeln und so gefährlich falsche Geschwindigkeitsbefehle hervorrufen können. Steigt das System aus, muss der Fahrer wieder die Fahrzeugführung übernehmen. Allerdings ist dieser Übergabeprozess deutlich komplexer als anfangs vermutet. Erstens muss jede hochautomatisierte Fahrfunktion schnell und zuverlässig abschätzen können, ab wann eine konkrete Fahrsituation ihre eigenen kognitiven und reaktiven Fähigkeiten übersteigt. Das, so geben Experten unter vier Augen zu, sei so aufwendig zu programmieren, dass es mittelfristig kaum kostengünstig zu lösen sei. Zweitens muss der Fahrer schnell und zuverlässig in die Fahrverantwortung zurückgeholt werden. Probandenstudien zeigen aber, dass dafür die Fahrer unterschiedlich lange teilweise bedenklich lange Zeit brauchen. Daher überlegen viele Automobilhersteller, von Level 2-Funktionen zu gegebener Zeit gleich auf Level 4 zu wechseln. Aktuell werden in die Serienfahrzeuge immer mehr Assistenzsysteme gepackt, die immer mehr Fahrsituationen meistern – aber immer bleibt der Fahrer in der Verantwortung.
Redundanz kostet Geld
Dieser Sprung hin zu Level 4 scheint greifbar, zumindest in einzelnen Fahrsituationen. Vollautomatisiertes Fahren nach Level 4 wird beispielsweise von Daimler und Bosch seit Sommer 2019 in einem öffentlichen Parkhaus in Stuttgart erprobt. Auch Autobahnfahrten, bei der das Fahrzeug sämtliche Fahrdynamik- und Lenkvorgänge bis zur nächsten Ausfahrt selbst übernimmt, sind weitgehend beherrschbar. Bis alle Verkehrssituationen aber lückenlos gemeistert werden, müssen die Steueralgorithmen und die Sensorsets (Kamera, Radar, Lidar, eventuell Ultraschall und Infrarot) aber noch viel Feinschliff bekommen. Ergänzend müssen Level 4- und 5-Fahrzeuge unbedingt über eine redundante Lenkung, Brems- beziehungsweise Beschleunigungsfunktionen, Stromversorgung und Datenübertragung verfügen, da kein Fahrer mehr als Rückfallebene zur Verfügung steht.
Unterm Strich dürften all diese Herausforderungen für horrende Kosten von anfangs etwa 100.000 Euro für (teil-)autonomes Fahren auf Level 4 und 5 sorgen. Kein Wunder, dass der ehemalige VW-Nutzfahrzeuge-Chef Andreas Renschler im Frühsommer 2020 davon sprach, dass wir solche „Roboterautos“ wohl erst ab 2030 erleben würden. Und dann nur beim kommerziellen Transport von Menschen oder Gütern, da nur im Dauereinsatz und ohne den Kostenfaktor „Fahrer“ die hohen Beschaffungskosten eingespielt würden. Für private Pkw wird selbst Level 4 noch lange kein Business Case. PSA etwa ließ verlauten, dass man bei Privat-Pkw keine Chance für automatisiertes Fahren oberhalb von Level 3 sehe – nicht einmal bei Kooperationen mit anderen OEMs. jg
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