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Hydraulik digital

Dämpfungssystem mit elektrorheologischer Flüssigkeit arbeitet mit Regelzeiten bis zu einer Millisekunde
Hydraulik digital

Moderne Fahrwerksysteme regeln kontinuierlich jedes einzelne Rad, um optimale Werte in Bezug auf Komfort, Handling und Sicherheit zu erreichen. Das von Fludicon entwickelte Dämpfungssystem Erride mit elektrorheologischer Flüssigkeit arbeitet mit Regelzeiten bis hin zu einer Millisekunde und ist damit deutlich schneller als übliche ventilbasierte Systeme. Zudem wurde die Intelligenz für die entsprechende Charakteristik in die einzelnen Dämpfer verlagert – eine zentrale Kontrolleinheit ist also nicht notwendig.

Der Autor Dr. Peter Stipp ist Fachjournalist bei der Awikom GmbH, Bensheim

Komfort, Fahrsicherheit und Verschleiß der Reifen sind bei Fahrzeugen eng mit der „richtigen“ Einstellung der Stoßdämpfer verbunden; egal ob Motorrad, Pkw oder Lkw. Mit einer weichen Abstimmung lässt sich zwar ein hoher Komfort erreichen, nur leiden darunter Fahrsicherheit und Verschleiß. Auf der anderen Seite spürt der Insasse bei einer straffen Einstellung jede kleinste Unebenheit. Der klassische Stoßdämpfer versuchte daher beiden Forderungen gerecht zu werden und arbeitete mit einer fest eingestellten Dämpfung. Meist war es ein mehr oder weniger geglückter Kompromiss zwischen Komfort, Handling und Sicherheit.
Die nächste Generation von Stoßdämpfern nutzte als Vorgabe schon drei unterschiedliche Kennlinien, um die Dämpfung zu regeln. Während bei dieser Lösung noch alle vier Dämpfer gleichzeitig angesteuert wurden, passen aktuelle Systeme die Dämpfungscharakteristik nicht nur für jedes Rad sondern auch kontinuierlich an. Diese Lösungen, meist arbeiten sie mit Proportionalventilen, sind aber sehr aufwändig in Bezug auf Fertigungs- und Montagekosten und bewegen sich im oberen Preissegment. Außerdem sind die erreichten Regelzeiten nicht für alle Anwendungen geeignet.
Die Digitalisierung der Hydraulik
Eine sehr effiziente und zugleich kostengünstige Lösung bietet Fludicon. Das Darmstädter Unternehmen entwickelt und produziert Dämpfungssysteme auf Basis einer elektrorheologischen Flüssigkeit (ERF). Diese als Rheoil bezeichnete Flüssigkeit ist eine Dispersion aus einer Trägerflüssigkeit und polarisierbaren Polyurethan-Partikeln. Letztere haben einen Durchmesser von circa 5 µm und sind als Di-pole ausgebildet. Wird ein elektrisches Feld angelegt, bilden sich Polymerketten, die zu einer Verengung des Strömungsquerschnitts führen und damit den Strömungswiderstand im Dämpfungszylinder erhöhen. Die gewünschte Einstellung ist beliebig oft reproduzierbar. Die besondere Eigenschaft dieser Technologie ist die schnelle Änderung der Fließeigenschaft des Fluids und damit die Anpassung an die jeweilige Situation innerhalb von Millisekunden – egal ob beim Dämpfen, dem Reduzieren von Schwingungen oder beim Positionieren.
Das von Fludicon entwickelte Dämpfungssystem Erride mit elektrorheologischer Flüssigkeit bietet ein optimales Fahrwerk-Regelungssystem für ein breites Spektrum verschiedenster Fahrzeugsegmente – angefangen von leichten und schweren Nfz, über Elektro- und Hybridfahrzeuge, bis hin zu Sportwagen und Motor-rädern. Die neueste Generation des Systems verlagert die Intelligenz für die entsprechende Charakteristik über eine bauraumoptimierte Elektronik in die einzelnen Dämpfer – das ist Digitalisierung der Hydraulik. Sie verzichtet also auf eine zentrale ECU (electronic control unit). Die Regelung, die mit geschützten Echtzeit-Algorithmen arbeitet, stellt die Dämpferkräfte an den vier Rädern in jeder Millisekunde neu ein und optimiert somit Komfort und Fahrsicherheit.
Schnelle Regelungszeit von bis zu 1 ms
Die herausragende Eigenschaft des ERF-basierten Dämpfungssystems Erride ist die schnelle Regelung bis hin zu einer Millisekunde. Dies bietet im Zusammenwirken mit anderen, vergleichbar schnell regelnden elektronischen Systemen wie ESP und ABS, eine bislang so nicht mögliche zeitgleiche Reaktion auf unterschiedliche Fahrsituationen, z. B. bei sehr sportlichen Pkw sowie Motorrädern, wo oft in Sekundenbruchteilen extremste Fahrmanöver gefordert sind. Diese Regelzeit ist wesentlich kürzer als bei ventilbasierten Systemen wie CDC- (Continous Damping Control) und CES-Dämpfer (Controlled Electronic Suspension). Der Erride-Dämpfer ist auch schneller als magnetorheologische (MR) Systeme, bei denen die Dämpfung über die Änderung der Magnetfeldstärke geregelt wird. Zudem zeigen die Felder im Kraft-/Geschwindigkeitsdiagramm, dass der elektrorheologische Dämpfer im Vergleich zu den genannten Varianten schon bei niedrigen Dämpfergeschwindigkeiten deutlich höhere Verstellkräfte bereitstellt.
Das Fluid Rheoil hat eine hohe hydraulische Steifigkeit, geringe Dichte sowie geringe Temperaturabhängigkeit und ist laut Fludicon die weltweit einzige elektrorheologische Flüssigkeit, die den Anforderungen in den Bereichen Automotive und Industrie gerecht wird: niedrige Basisviskosität, keine Abrasion sowie gute Schmiereigenschaften und Materialverträglichkeit. Aus diesem Grund sind die elektrorheologischen Dämpfer von Fludicon auch mit Standard Dämpfermaterialien (Dichtungen, Führungen, Oberflächen) aufgebaut.
Dämpferkräfte über die Viskosität einstellen
Ein weiterer Vorteil gegenüber ventilbasierten Systemen ist die Einstellung der Dämpferkräfte über eine Anpassung der Viskosität. Das senkt die Investitionen, denn präzise und damit teure Ventile werden nicht benötigt. Auch der Aufbau des elektrorheologischen Dämpfers ist einfach, was Fertigungs- und Montagekosten deutlich reduziert. Wichtig in Bezug auf die Sicherheit ist, dass diese Lösung bei Ausfall der Versorgungsspannung eine so genannte Grunddämpfung sicherstellt. Elektrorheologische Dämpfer arbeiten geräuschlos und sind daher ideal für den Einsatz in Elektro- und/oder Hybridfahrzeugen.
Aufgrund der hohen Kraftspreizung bei niedrigen Dämpfergeschwindigkeiten kann der Erride-Dämpfer sehr effizient bei leichten und schweren Nfz eingesetzt werden. Bei einem leichten Nfz bietet er mehr Wankabstützung, eine sichere Kurvenfahrt und schont darüber hinaus die Ladung. Bei schweren Fahrzeugen wird er außer im Fahrwerk auch zur Fahrerhausdämpfung eingesetzt. Im Rettungs- und Beförderungsdienst ist der Einsatz eines elektrorheologischen Dämpfers ebenfalls über den Fahrwerksbereich hinaus von großem Vorteil. Das adaptive System stellt sich nicht nur automatisch auf das jeweilige Patientengewicht ein, es bezieht auch die Fahrsituation des Rettungsfahrzeuges bei der Erzeugung der optimalen Dämpfungskraft mit ein. Vergleichsmessungen zwischen einem pneumatischen Standarddämpfer und der neuen elektrorheologischen Technik zeigen wie effektiv das System arbeitet. Ein Test mit einem simulierten Patientengewicht von 80 kg beinhaltet das Überfahren eines ca. 13 cm hohes Hindernisses mit 10 km/h. Obwohl die passive Standarddämpfung gerade bei diesem Gewicht im Optimum arbeitet, reduziert sich der Beschleunigungswert am Patienten mit dem System von Fludicon auf weniger als die Hälfte (von 0,4 auf <0,2 m/s²).
Rollwiderstand reduzieren
Der elektrorheologische Dämpfer reduziert zusätzlich den Rollwiderstand, der aufgrund von Fahrbahnunebenheiten entsteht und schafft somit die Voraussetzung zur Senkung von Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß. Hinzu kommt die Verringerung der Radlastschwankung, was den Reifenverschleiß vermindert und die Fahrbahn schont. Das gilt speziell für Fahrzeuge mit höheren Radlasten.
Herausragend ist, dass ein Seriendämpfer problemlos 1:1 durch einen Erride-Dämpfer ersetzt werden kann. Dessen Grundprinzip basiert auf einem passiven Standard-Zweirohrgasdruckdämpfer mit getrenntem Gasraum (parallel über einen externen Speicher oder in Reihe, je nach Bauraumgegebenheiten). In Verbindung mit der ER-spezifischen Dämpferhardware wie ER-Ventil, Flüssigkeit, Kontaktierung usw. ermöglicht das System als Ganzes (Dämpfer, Elektronik, Sensorik) durch seinen modularen Baukastenaufbau eine schnelle und einfache Anpassung der Komponenten an die herrschenden Einbaubedingungen des Zielfahrzeuges. So erlaubt der mechanische Aufbau nicht nur eine optimale Anpassung der Basisdämpfung hinsichtlich der Kräfte und der Dämpfergeschwindigkeit, sondern bietet zugleich eine große Asymmetrie in Bezug auf Druck- (Einfedern) und Zugkräfte (Ausfedern). Das System wurde erfolgreich in Pkw, leichten Nfz und militärischen Fahrzeugen eingesetzt und getestet.
Fludicon, Tel.: 06151 2798-6, E-Mail: kontakt@fludicon.com
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