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Werkstoffübergreifender Leichtbau in der Automobilkonstruktion

Runter mit den Kilos
Werkstoffübergreifender Leichtbau in der Automobilkonstruktion

Eigentlich ein Widerspruch: Senkung von CO2-Emission und Kraftstoffverbrauch bei gleichzeitig steigendem Anspruch an Komfort, Sicherheit und Fahrleistung. Denn mit den dafür erforderlichen Komponenten steigen das Fahrzeuggewicht und damit der für die Fortbewegung der Masse notwendige Energieaufwand. Werkstoffübergreifender Leichtbau in der Automobilkonstruktion trägt dazu bei, beides unter einen Hut zu bringen.

Durch ein Plus an Sicherheit, Komfort, Zuverlässigkeit und Fahrleistung stieg das Gewicht von Pkw in den letzten Jahrzehnten durchschnittlich um mehrere hundert Kilo. Paradox dabei: Den Erfolgen des Leichtbaus ist es zu verdanken, dass Fahrzeuge heute nicht noch schwerer sind. Und Antriebskonzepte wie Elektromotoren und Hybridantriebe sind zwar darauf ausgelegt, CO2-Emissionen zu reduzieren, allerdings kommt mit ihnen auch erhebliches Gewicht ins Fahrzeug. Leichtbau gewinnt also weiter stark an Bedeutung. Innovative Entwicklungen bieten dabei neue Ansätze für Hybridbauweisen, die zu einer Gewichtsreduzierung in der Automobilkonstruktion beitragen.

Durchbruch beim Einsatz von Magnesiumblechen
Mit geringer Dichte und hoher spezifischer Festigkeit bietet Magnesium ein hohes Leichtbaupotenzial. Gegenüber Aluminium-Werkstücken sind Magnesiumbauteile um bis zu 30 % leichter. Zudem weist das Material eine hohe Verfügbarkeit auf und ist gut recyclebar. Außerdem ermöglicht es die Herstellung komplexer Bauteile mit filigranen Strukturen und engen Fertigungstoleranzen. Nicht zuletzt bietet Magnesium eine effektive EMV-Abschirmung und geringe Wärmekapazität. Dass der Einsatz im automobilen Leichtbau trotzdem bisher überwiegend auf Druckgussprodukte begrenzt war, liegt zum einen am hohen Preis von Magne- siumblechen. Zum anderen stehen das teilweise unbefriedigende Korrosionsverhalten und die schlechten Schweißeigenschaften einem Großserieneinsatz entgegen. Dies könnte sich mit dem von Stolfig entwickelten Warm-in-Warm-Verfahren für die Herstellung und Verarbeitung des Magnesiumwerkstoffes MnE21 ändern. Diese Legierung in High Purity-(HP) Qualität wurde für die Herstellung von Blechen, Profilen, Druckgussteilen und Schweißdraht entwickelt und enthält keine Korrosionsbeschleuniger (speziell Al und Zn). Dies führt einerseits zu einem deutlich verbesserten Korrosionsverhalten, andererseits können die Bauteile gut KTL- und pulverlackiert werden. Darüber hinaus neigt der ohne Mg17Al12 gefertigte Werkstoff nicht zum Brennen, so dass eine Erwärmung auf 500 °C problemlos möglich ist.
Die Besonderheit des Warm-in-Warm Verfahrens liegt darin, dass Herstellung und Verarbeitung in einem kontinuierlichen Prozess erfolgen: Die Hitze aus der ersten Schmelze wird für das Gießen der Strangpressbolzen genutzt und mit der darin enthaltenen Gießwärme sowie der Wärme des austretenden Bleches wird das Bauteil umgeformt. Durch den mit diesem patentierten Verfahren enorm reduzierten Energieeinsatz und den effizienten kurzen Prozess ist das Unternehmen in der Lage, das Kilogramm Magnesiumblech zum Preis von derzeit 5 € herzustellen, mit Tendenz nach unten. Erreicht wird dies auch, da der Stanzabfall sofort wieder eingeschmolzen wird und so nur geringste Materialverluste entstehen. Ohne Walzprozess werden momentan Bleche ab einer Dicke von 1,1 bis 470 mm Breite gefertigt. Im Laufe dieses Jahres soll die Produktion auf Breiten bis zirka 1500 mm ausgeweitet werden.
Eingesetzt werden Werkstoff und Verfahren derzeit bereits für die Fertigung von Modulquerträgern, für die von Seiten der Automobilindustrie Serienfreigaben bestehen. Mit einem Gewicht von nur 3,22 kg ist er um rund 62 % leichter als sein Pendant aus Stahl und gegenüber einem vergleichbaren Bauteil aus Aluminium beträgt die Gewichtseinsparung zirka 27 %. Die Bauteile lassen sich durch Stanznieten, Stanzmuttern, Clinchen und Kleben ebenso fügen wie mit den warmen Verbindungstechniken Punkt-, Bolzen-, WIG-, MIG-, Laser- und Reibrührschweißen. Für die Simulation des Magnesium-Werkstoffes wie sie von Stahl und Aluminium her gewohnt sind, steht eine Software zur Verfügung.
Leichter Stahlguss durch dünne Wände
Potenzial für den Multimaterial-Leichtbau bietet auch das von Evosteel entwickelte „3cast“- Verfahren, mit dem sich Stahlbauteile mit Wandstärken von 2 bis 4 mm in Großserie herstellen lassen. In Bauteilabschnitten wie etwa Fügebereichen können sogar Wandstärken bis 1,5 mm realisiert werden. 3cast ist ein Niederdruckguss-Verfahren, das bisher hauptsächlich im Aluminiumguss zum Einsatz kam. Dabei wird die Schmelze durch ein Steigrohr in den Hohlraum der Gießform gepresst, so dass der Gussprozess gegen die Schwerkraft verläuft. Durch den automatisierten Ablauf und die kontrollierbaren Gieß- und Füllparameter weisen die Gussbauteile hohe Maßgenauigkeit auf.
Die Kombination Festigkeit von Stahl mit freier Formgebung durch den Gießprozess und minimalen Wandstärken machen das Verfahren auch für den Fahrzeugbau attraktiv. Es sind vor allem die Bereiche Fahrzeugrahmen, Fahrwerk und Aggregatgehäuse, die Einsatzpotenziale aufweisen. Hier sind Leichtbauteile aus Gussstahl zum Beispiel in Form von A-Säulen, Achsaufnahmen, Querlenkern, Turboladern und im Gussknotenbereich vorstellbar. Die Bauteile des Fahrzeugrahmens werden bisher meist aus Stahlblech hergestellt. Verglichen mit dieser Materialvariante bieten dünnwandige Stahlgussteile zwei wesentlich Vorteile: die höhere Gestaltungsfreiheit und die Einsparung von Ressourcen. Während Stahlbleche unter hohem Energie- und Kostenaufwand gegossen, gewalzt und umgeformt werden müssen, um die gewünschte Form zu erhalten, können mit dem 3cast-Verfahren auch komplexe Elemente in einem Guss maßgenau hergestellt werden. Eine Alternative stellen die im Niederdruckguss gefertigten, dünnwandigen Stahlteile auch für Pkw-Fahrwerksteile dar, die bisher aus Aluminium hergestellt werden. Nicht zuletzt durch die CO2-Bilanz: Während bei der Erzeugung von 1 kg Aluminium etwa 15 kg Kohlendioxid freigesetzt werden, sind es für 1 kg Stahl nur etwa 2,5 kg CO2.
Leichtigkeit des Aluminium-Sandwiches
Auch bei Aluminium, dem Leichtbauwerkstoff schlechthin, lassen sich noch Einsparpotenziale realisieren. Eine Möglichkeit ist der Einsatz des rein metallischen Sandwichelements „Aluflex“ von Metawell. Es besteht aus einem kontinuierlich hergestellten Verbund aus dünnem Aluminium-Blech in Wellenform und einem damit verklebten Deckblech. Das Sandwich eignet sich insbesondere für flächige Anwendungen, bei denen hohe Baueilsteifigkeit gefordert wird. Der Werkstoff ermöglicht beispielsweise die deutlich kostengünstigere Herstellung der Rear-Diffuser des KTM X-BOW, der bisher aufgrund der komplizierten Bauform ein klassisches Composite aus CFK war. Aluflex wird als ebenes Halbzeug bearbeitet und ermöglicht im folgenden Montageschritt eine genaue Positionierung der zum Teil aus Kunststoff tief gezogenen Anschraubdome, Befestigungspunkte und der Getriebeabdeckung, die dann mit einem zweiten Deckblech in einer einfachen Form verklebt werden. So entsteht ein komplex geformtes Composite aus Aluminium-Sandwich (tragende Geometrie), Al-Blech (Leitbleche) und integrierten PA 6 GF-Tiefziehteilen. Neben dem Rear-Diffuser liefert das Unternehmen für den KTM X-BOW auch den Al-Main-Underfloor, der aus der klassischen Metawell-Alu-Sandwich-Platte „gefaltet“ wird.
Wölbstrukturen – Leichtbau à la Nature
Der Kofferfisch stand Pate für das „Bionic-Car“ von Mercedes Benz, beim Reifen „Contipre- miumcontact“ waren es Katzenpfoten und Spinnennetze. Als stabil und widerstandsfähig bei größeren Flächen haben sich in der Natur, beispielsweise bei Bienenwaben oder dem Panzer von Schildkröten und Insekten, auch sechseckige Formen erwiesen. Nach ihrem Vorbild hat Dr. Mirtsch die Wölbstrukturiertechnik entwickelt. Es handelt sich dabei um ein Verfahren der Umformtechnik, mit dem sechseckige, dreidimensionale Strukturen in dünnwandige Materialien wie Stahl- und Aluminium-Bleche, Kunststofffolie, Pappe und Papier eingebracht werden. Um diese Strukturen herzustellen, wird sanfter Druck auf das gekrümmte, dünne Material aufgebracht und es gleichzeitig geschickt abgestützt. Das Material weicht dabei quasi selbstorganisierend und energieminimiert in eine 3D-Struktur aus. Die Oberflächengüte wird dabei jedoch vollständig erhalten, da kein flächiger Werkzeugeingriff stattfindet.
Die mehrdimensionalen Versteifungen verleihen dem Werkstoff bei geringer Wanddicke eine allseitig hohe Biege- und Beulsteifigkeit. Dies ermöglicht, Bauteile mit gleicher Funktionalität deutlich leichter herzustellen.
Gewichtsreduzierung ist aber nicht der einzige Vorteil der Wölbstruktur: Bei einer akustischen Anregung werden die tiefen Eigenfrequenzen durch die versteifende Struktur in den höheren Frequenzbereich verschoben. Unangenehmes Dröhnen dünnwandiger Bauteile lässt sich so vermindern. Außerdem verfügt das wölbstrukturierte Material über dämpfende Eigenschaften, wodurch sich die Abstrahlung des Körperschalls reduziert. Diese Eigenschaften machen das Verfahren auch für den automotiven Leichtbau interessant, etwa als Karosserieboden. Wölbstrukturierte Halbzeuge lassen sich zu Karosserieteilen weiterverformen, da sie eine hohe Plastifizierungsreserve für sekundäre Umformprozesse aufweisen. Im Einsatz sind wölbstrukturierte Platinen aus Aluminium beispielsweise als Rückwand in der SLK-Baureihe von Mercedes.
Internationales Bionik-Zentrum; Telefon: 0681 9593160; E-Mail: Knut.braun@bionikzentrum.de
Evosteel; Telefon 0341 90234-0; E-Mail: presse@ecosteel.com
Dr. Mirtsch; Telefon: 03329 699576; E-Mail: info@drmirtschgmbh.de
Karosserie-Netzwerk; Telefon 0177 6221944; Mail: frank.preller@karosserie-netzwerk.de
Metawell; Telefon 08431 6715-0; E-Mail: info@metawell.com
Stolfig; Telefon 08452 708-0; E-Mail: stolfiggmbh@stolfig.com

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