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Aluminium baut Vorteile im Leichtbau weiter aus

Mit Spaceframe-Struktur und neuen Multilegierungen zu weiteren Gewichtseinsparungen
Aluminium baut Vorteile im Leichtbau weiter aus

Mit der Spaceframe-Technologie und dem Einsatz von Aluminium hat Audi den Leichtbau im Karosseriebereich revolutioniert. Wenn auch beim Einsatz von Stahl rasante Fortschritte erzielt wurden, so steht die Entwicklung bei Aluminium nicht still, wie neue Multilegierungen unter Beweis stellen.

„The new aluminium“ nennt Novelis sein innovatives, mehrschichtiges Material, das die Eigenschaften von zwei oder mehr Aluminium-Legierungen kombiniert. Mit seiner neuen Fu- sion-Technologie hat der weltweit führende Hersteller von Aluminium-Walzerzeugnissen die Tür zum Leichtbau der Zukunft weit aufgestoßen. Der Kombination von Legierungen sind durch das innovative Gießverfahren so gut wie keine Grenzen gesetzt. „Die einzige Grenze ist Ihre Vorstellungskraft“, wirbt der Hersteller. Die im August 2008 in Betrieb gegangene Gießerei in Sierre/Schweiz ist jetzt in der Lage, den europäischen Markt mit Multilegierungs-Material zu bedienen, das für jede Anwendung maßgeschneidert werden kann.

Eine erste Anwendung im Automobilsektor hat Fusion in den Türen des neuen 7er BMW gefunden. Das neue Material macht es möglich, die Tür-Innenstruktur mit integriertem Fensterrahmen in einem Stück zu fertigen. In punkto Wirtschaftlichkeit ist dies ein entscheidender Vorteil für die Großserie.
Die Avantgardisten des Karosserie-Leichtbaus mit Aluminium bei Audi haben sich längst zu Anwendungen der Fusion-Bleche entschieden. „Bei dem Dreischichtblech besteht die Möglichkeit, hohe Festigkeiten und gleichzeitig gute Tiefzieheigenschaften sowie gute Oberflächen in Aluminium zu erreichen“, analysiert Heinrich Timm, Leiter des Aluminium- und Leichtbau-Zentrums bei Audi in Neckarsulm. Mit der Audi Space Frame (ASF)-Technologie – ein selbst tragendes Karosseriegerüst aus Aluminium-Strangpressprofilen und Druckgussknoten – hatte der Leichtbauexperte zu Beginn der 90er Jahre den bis dahin vorherrschenden Karosseriebau in Schalenbauweise revolutioniert und Audi in eine neue Leichtbau-Ära geführt. „Mit jedem Modell in ASF-Bauweise haben wir, verglichen mit einer funktionsgleichen Bauweise in Stahlblech, eine Gewichtsreduzierung von mehr als 43 Prozent erreicht“, resümiert er. Diese Reduzierung ist der Anschub, um auch sekundäre Gewichtseinsparungen auszulösen. Dieser Bedarf ist im Hinblick auf das Mehrgewicht der alternativen E-Antriebe von hoher Priorität. „Darum ist und bleibt für mich die Spaceframe-Bauweise auch für die Zukunft eine nicht nur wettbewerbsfähige, sondern eine überlegene Leichtbautechnologie“, ist Timm überzeugt.
Mit einem spezifischen Gewicht von 2,7 g/cm³ hat Aluminium für den Leichtbau schon werkstoffseitig einen deutlichen Vorteil gegenüber Stahl mit 7,85 g/cm³. Doch erst mit der ASF-Technologie kann dieser Vorteil auch tatsächlich ausgespielt werden. Die weit verbreitete Meinung, Aluminium habe wegen des hohen elektrischen Energiebedarfs bei der primären Erzeugung einen erheblichen Nachteil gegenüber Stahl, weist der Aluminium-Fachmann als überholtes Vorurteil zurück. Schrottabfälle wie die Beschnitte im Walzwerk und Produktionsschrott im Presswerk ließen sich als Primäraluminium direkt in den Prozess zurückführen. Auch müsse die durch die Spaceframe-Technologie mit Aluminium gegenüber Stahl erzielte Gewichtsreduzierung um rund 40 % berücksichtigt werden. Bezieht man den geringen Energiebedarf des Recycling und die Verbrauchsreduzierung durch den Leichtbau mit Aluminium bezogen auf das Fahrzeugleben mit ein in die Rechnung, dann werden die vermeintlich höheren Energieaufwendungen zu einer umweltschonenden Energiebedarfsreduzierung.
Langfristig sinkende Preise bei Aluminium
Auch die langfristige Preisentwicklung bei Stahl und Aluminium zeige, so Timm, dass sich über einen Zeitraum von fast 35 Jahren die Preise aufeinander zu bewegten. So habe sich trotz ereignisbedingter Spitzenwerte der Durchschnittspreis für Aluminium nach unten bewegt, wohingegen der Stahlpreis gestiegen sei. „Für die Entscheider bei Audi ist dies ein wichtiger positiver Aspekt“, hebt er hervor.
Weitere Fortschritte bei der Reduzierung des Gewichtes könnten durch noch leichtere Werkstoffe erzielt werden. So hat Magnesium ein spez. Gewicht von nur 1,7 g/cm³ und ein Faserverbundkunststoff wie CFK gar nur 1,55 g/cm³. Aber: „Magnesium hat nicht den besten Stand in der Karosserie“, weiß der Leichtbau-Spezialist. „So gerne ich Magnesium einsetzen würde, ist die Außenhaut wegen der Korrosionsprobleme nicht der richtige Einsatzbereich.“ Für Gussteile wie Getriebegehäuse und Motorblöcke dagegen sei Magnesium genau richtig. Versuche von Professor Walter Reimers am Institut für Werkstoffwissenschaften und -technologien der TU Berlin, Magnesiumbarren ähnlich wie bei Novelis-Fusion mit einer Alu-Haut zu versehen und auszuwalzen, bewertet Timm als wissenschaftlich interessant. Jedoch hält er den Einsatz im Karosseriebau in naher Zukunft nicht für relevant. „Es gibt in der Realität keine Bauteile, die nicht Durchbrüche, Löcher oder Befestigungspunkte für Montageteile aufweisen“, gibt er zu bedenken. Daher bleibe die Korrosion noch ein Ausschlussfaktor.
Der Einsatz von CFK scheitert derzeit daran, dass Kohlefaser und Harze noch zu teuer sind, und es fehlen noch automatisierte Prozesse für die Verarbeitung. Bei Audi sieht man das große Potenzial zur Gewichtsreduzierung. „Wir rechnen innerhalb der Karosserie für mehrachsig belastete Teile mit einer weiteren Gewichtsreduzierung von etwa 20 Prozent“, blickt Timm in die Zukunft. Das sei ein lohnenswertes Ziel und deshalb arbeite man auch daran.
„Wenn wir wirtschaftlichen Leichtbau betreiben wollen, müssen wir in Materialhybriden denken“, ist sich der Leichtbauexperte sicher. „Die stellen natürlich hohe Anforderungen an die Verbindungstechnik.“ Allerdings solle man in einer Linie so wenig wie möglich unterschiedliche Fügeverfahren einsetzen. Bei Audi seien die mechanischen Verbindungen auf relativ wenige beschränkt, zum Beispiel auf das Vollstanznieten oder alternativ auf selbstfurchende Schrauben. „Hier können wir die Werkzeuge innerhalb der Robotereinheiten austauschen“, erläutert Timm die Vorteile. Das Thema Kleben sei für Audi nichts Neues. Man habe in den Karosserien mit selbsttragender Schalenbauweise schon mehr als 100 m Klebelängen, um insbesondere mit geringstem Mehrgewicht die Steifigkeit zu erhöhen.
Keine Lärmerhöhung durch Leichtbau
Die vorherrschende Meinung, leichtere Karosserien seien schwingungsanfälliger und damit lauter, fällt für den Leichtbauexperten unter die Kategorie Vergangenheit. Man habe schon früh analysiert, wo jeweils Lärmquellen entstünden. An diesen Orten der Krafteinleitung kämen beim Spaceframe möglichst Gussteile zum Einsatz. Diese seien verrippt und hätten eine hohe örtliche Steifigkeit. „Das ist die effizienteste Art, die Akustik zu optimieren“, weiß Timm. An Dachblechen mit relativ großen Flächen könne es sein, dass Dämmmaterial nachgelegt werden müsse. „Aber in unserer Gesamtstruktur, über das gesamte Karosseriegebilde, sind wir über dieses Vorurteil längst hinweg“, betont er.
Auf die Bedeutung der Simulation im Karosseriebau angesprochen, meint Timm: „Heute brauchen wir die virtuelle Entwicklung, um die Fertigungsprozesse zu optimieren.“ Jedes Halbzeug habe seine spezifische Prozesskette, und diese müsse auch virtuell beherrscht werden. Ohne die Simulation entstünden Kosten, die nicht mehr aufzubringen seien. „Leichtbau hat einen Preis in der Produktentstehung,aber auch einen ganz erheblichen Mehrwert für den Kunden, und er ist die Anschubfinanzierung für die Realisierung der alternativen E-Antriebe“, gibt Timm zu bedenken.
Audi;
Telefon: 07132 31-1310;
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