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Neue Porsche-Bremstechnik verursacht deutlich weniger Bremsstaub

Oberflächentechnik
Neue Porsche-Bremstechnik verursacht deutlich weniger Bremsstaub

Die neue Porsche Surface Coated Brake (PSCB) soll vieles besser können als herkömmliche Grauguss-Bremsen, aber einiges weniger als eine Keramikbremse kosten. Angesichts aktueller Debatten vielleicht am wichtigsten: Sie produziert, laut Anbieter, bis zu 90 % weniger Bremsstaub.

Hartmut Hammer, freier Mitarbeiter der KEM für die Automobilkonstruktion

Inhaltsverzeichnis

1. Porsches Surface Coated Brakes (PSCB)
2. Bremse mit Wolfram-Carbid-Beschichtung
3. Ähnliche Vorteile zu geringeren Kosten
4. Fadingstabilität der Bremse ist deutlich höher
5. Beschichtung per Hochgeschwindigkeits-Flammspritzverfahren

Porsches Surface Coated Brakes (PSCB)

Seit kurzem ist der Cayenne Turbo serienmäßig mit den neuen Porsche Surface Coated Brakes (PSCB) ausgestattet. In anderen Cayenne-Modellen steht die Technik als Option zur Verfügung. Laut Porsche bieten diese Bremsen einige Vorteile: etwa ein besseres Ansprech- und Fadingverhalten, weniger Korrosion, Verschleiß und – ganz wichtig bei den hitzigen Fahrverbots-Diskussionen – erheblich weniger Bremsstaub.

Basis der PSCB ist eine herkömmliche Compound-Bremse. Ihr Aluminium-Bremstopf ist über eingegossene Stifte mit der Grauguss-Scheibe verbunden. Das Besondere an der PSCB ist eine Hartmetall-Beschichtung der Grauguss-Scheibe in Kombination mit speziell darauf abgestimmten Bremsbelägen.

Bremse mit Wolfram-Carbid-Beschichtung

Ursprüngliche Motivation für die PSCB war nach Angaben von Porsche die Korrosionsproblematik. Diese sieht man dank der langlebigen Wolfram-Carbid-Beschichtung als gelöst an. In eingefahrenem Zustand erstrahlt die PSCB zusätzlich in einer Hochglanz-Optik.

Als angenehmer „Nebeneffekt“ der Hartmetall-Beschichtung soll der Verschleiß an der Scheibe deutlich zurückgehen und so ihre Lebensdauer um etwa 30 % steigen. Eine Kilometer-Angabe sei wegen der breiten Streuung der Kundenfahrprofile jedoch nicht seriös, so ein Porsche-Techniker. Vor allem bei Bremsvorgängen aus höheren Geschwindigkeiten sei ein deutlich geringerer Heißverschleiß als bei herkömmlichen Grauguss-Bremsscheiben zu verzeichnen. Ist die 100 µm dünne Beschichtung auf etwa 20 µm geschrumpft, empfiehlt Porsche den Wechsel der Bremsscheiben. Zwar wäre die PSCB mit zu dünner oder weggebremster Beschichtung laut Porsche immer noch so sicher wie eine herkömmliche Grauguss-Bremse. Allerdings würden dann Bremskomfort und Bremsleistung etwas sinken.

Die Bremse im Detail
Die Oberflächenrauigkeit der Wolframcarbid-Beschichtung beträgt 1 bis 2 µm. Warum die Bremse bei einer glatteren Oberfläche dennoch einen höheren Reibwert hat, dazu hat Porsche bisher noch keine gesicherte physikalische Erklärung. Man vermutet, dass es an der hohen Adhäsion zwischen Scheibe und Belag liegen könnte
Bild: Porsche

Ähnliche Vorteile zu geringeren Kosten

In der Werkstatt kann sich der Cayenne-Eigner dann freuen: zwar sind die Bremsbeläge der PSCB in etwa gleich teuer wie die einer Keramikbremse. Die Bremsscheiben jedoch sind deutlich günstiger. Als Anhaltspunkt: In der Optionsliste für den Cayenne werden für die PSCB etwa 3000 Euro aufgerufen. Die Keramikbremse im Porsche 911 kostet hingegen mehr als 9000 Euro Aufpreis.

Für die 3.000 Euro Aufpreis erhält der Cayenne-Besitzer auch einen deutlich höheren Reibwert und Bremsleistungen als bei einer herkömmlichen Bremse. Und das, obwohl die Oberflächenrauigkeit der Wolframcarbid-Beschichtung nur noch 1 bis 2 µm beträgt. Für dieses erstaunliche Verhalten – glattere Oberfläche und dennoch höherer Reibwert – hat Porsche bisher noch keine gesicherte physikalische Erklärung. Man vermutet, dass es an der hohen Adhäsion zwischen Scheibe und Belag liegen könnte. Ein Indikator dafür wäre das sehr gute Ansprechverhalten der PSCB.

Hieb- und stichfest ist jedoch die deutlich verminderte Bremsstaubbildung. So entstand beim Durchfahren von WLTP-Zyklen bis zu 90 % weniger Bremsstaub, so Porsche. Diese Reduzierung sei vor allem auf die abriebfestere Beschichtung zurückzuführen. Zum Vergleich: Bei herkömmlichen Bremsen entstehe etwa zwei Drittel des Abriebs am Grauguss-Reibring, etwa ein Drittel an den Bremsbelägen.

Fadingstabilität der Bremse ist deutlich höher

Ebenfalls durch Messungen auf der Hochgeschwindigkeits-Teststrecke in Nardo belegt ist die deutlich höhere Fadingstabilität der PSCB im Vergleich zur herkömmlichen Grauguss-Bremse. Selbst bei sehr „heißen“ Bremsscheiben ist keine höhere Pedalkraft als bei „kalten“ Bremsscheiben erforderlich. Die Zehnkolben-Festsattel-Bremse an der Vorderachse verfügt über eine aufsummierte Bremsbelagfläche von 145 cm2, das ist etwas weniger als bei der Keramikbremse (165 cm2).

Traditionell entwickelt Porsche viele Innovationen selbst und lässt sie dann von Lieferanten nach exakten Vorgaben fertigen. So auch bei der PSCB: die Bosch-Gruppe hat zusammen mit Porsche die Grauguss-Scheibe samt Beschichtung entwickelt und übernimmt die Fertigung. In Kooperation mit Akebono sind die passenden Bremsbeläge entstanden. Für beide Komponenten hat sich die Volkswagen-Gruppe Exklusivität für ein Jahr gesichert, danach dürfen sie die Lieferanten auch anderen Kunden anbieten. Porsche plant auf jeden Fall, die PSCB sukzessive in weiteren Baureihen einzuführen.

Gefertigt und beschichtet werden die PSCB-Bremsscheiben vom Bosch-Tochterunternehmen Buderus. In einem ersten Schritt wird die Grauguss-Reibringfläche durch thermisches Laserstrukturieren aufgeraut und gereinigt. Anschließend wird in einem galvanischen Prozess eine duktile Zwischenschicht aufgebracht. Sie dient erstens als Haftvermittler zwischen Grauguss und Wolframcarbid-Beschichtung, zweitens sorgt sie für einen Ausgleich der unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten dieser beiden Werkstoffe.

Beschichtung per Hochgeschwindigkeits-Flammspritzverfahren

Die eigentliche Beschichtung erfolgt dann mit einem Hochgeschwindigkeits-Flammspritzverfahren. Ein Roboter „schießt“ das Wolframcarbid mithilfe einer Flammpistole, Druckluft und Brenngas mit Überschallgeschwindigkeit auf die Reibringfläche. Auf diese Weise soll eine optimale Haftung der Beschichtung und eine sehr harte Oberfläche (1.000 HV) entstehen. Theoretisch, so ein Porsche-Techniker, könnte man auch eine deutlich dickere Wolframcarbid-Schicht als die serienmäßigen 100 µm aufbringen, um die Lebensdauer der PSCB zu verlängern. Dann würden allerdings die Systemkosten – angesichts des teuren Wolframcarbid – zu einer klassischen Trade-Off-Situation führen.

www.porsche.com

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