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Die neue Art zu sparen

Vollvariables mechanisches Ventiltriebsystem für den Ottomotor
Die neue Art zu sparen

Die Zahl der auf dem Markt befindlichen Systeme zur Beeinflussung von Öffnungszeit und Hub der Ein- und Auslassventile nimmt zu – so gibt es etwa Valvetronic, Variocam plus, Multiair, Cam-In-Cam oder Valvelift. Mit Univalve wurde jetzt ein weiteres System bis zur Serienreife entwickelt.

Der Autor Jürgen Goroncy ist Fachjournalist und freier Mitarbeiter der AutomobilKONSTRUKTION

Die KSPG AG, Neckarsulm, hat die Rechte an dem von der Entec Consulting GmbH, Hemer, konzipierten System „Univalve“ erworben und industrialisiert nun diese Lösung. 2015 oder 2016 will KSPG die ersten Univalve-Systeme in Serie bringen. „Mehrere Kundenprojekte sind bereits gestartet“, so Heinrich Dismon, Leiter Vorentwicklung. „Überwiegend bei Motoren mit weniger als 2 l Hubraum und auch nicht immer mit vier Zylindern. Wir arbeiten dazu weiterhin aktiv mit Entec zusammen, deren beide Gesellschafter – Professor Wilhelm Hannibal und Professor Rudolf Flierl weiterhin als Berater für uns tätig sind. Allerdings liegen die Patent- und Vermarktungsrechte an Univalve vollständig bei KSPG.“
Bedarfsangepasste Systeme sind gefragt. Das gilt besonders für die vollvariable Ventilsteuerung, die eine stufenlose Verstellung der Ventilöffnungszeiten und der Ventilhübe ermöglicht und damit eine drosselfreie Laststeuerung erlaubt. Zu dieser Gattung gehören die Valvetronic von BMW, das von Fiat und Schaeffler entwickelte Multiair-System und eben jetzt Univalve von KSPG.
Daneben gibt es die noch die Ventilhubumschalter mit diskreten Schaltvorgängen und mehreren Hubstufen: dazu zählen beispielsweise Variocam plus von Porsche, das Audi Valvelift-System und die VTEC-Technik von Honda. Diese Systeme sind weit im Markt verbreitet, werden hauptsächlich zur Steigerung der Motorleistung und des Drehmoments eingesetzt, zeigen aber in einigen wichtigen Kennfeldbereichen nur eine begrenzte Flexibilität.
Mechanisches Meisterwerk
Der Ventiltrieb ist das wichtigste Element für einen leistungsfähigen Ladungswechsel und somit effizienteren Motorprozess. Bei einem Motor mit vollvariablem Ventiltrieb wird das Drehmoment beziehungsweise die Füllung der Zylinder nicht mehr durch die Drosselklappe, sondern durch die Wahl der Ventilsteuerzeiten und Ventilhübe geregelt. Bei frühem Schließen der Einlassventile nehmen die Ladungswechselarbeit und in direktem Zusammenhang damit auch der spezifische Kraftstoffverbrauch kontinuierlich ab. Um das vorteilhaft sehr frühe Einlass-Schließen zu erreichen, muss die Einlass-Öffnungsdauer also möglichst kurz sein. Technisch gesehen reduziert das System dabei den Teillastverbrauch einerseits über die Verringerung der Ladungswechselarbeit sowie über eine optimierte Restgassteuerung und -verträglichkeit des Brennverfahrens und anderseits durch die verringerte Bedarfsleistung zur Ventilbetätigung.
Univalve ist ein mechanisches System zur simultanen und kontinuierlichen Verstellung von Ventilhub und -öffnungsdauer. Die als Exzenter ausgeführte Steuerwelle wird von einem verschleißfreien, bürstenlosen Elektromotor angetrieben. Der Zwischenhebel ist nicht wie bei Wettbewerbssystemen ein Schwenkhebel, sondern ein Kipphebel. Dadurch ist bei gleicher Erstreckung und Masse die Trägheit geringer. Die Gesamtkonstruktion wird somit sehr drehzahlfest, KSPG gibt aktuell eine obere „Schallmauer“ bei etwa 8000 min-1 an.
Elektromagnetische oder hydraulische Zwischenglieder werden nicht eingesetzt. Sie sollen laut KSPG sowohl anfälliger als auch im Fall der Hydraulik energieaufwändiger sein, da der permanent erzeugte Öldruck zur Steuerung der Ventile in bestimmten Betriebspunkten abgelassen werden muss. Univalve hingegen steuert die Ventilbewegungen unter anderem mit Metallfeder-Elementen, die kinetische Energie nahezu verlustfrei speichern.
Flexibilität bei Steuerung und Package
Das System erlaubt eine stufenlose Variation der Ventilöffnungsdauer bei gleichzeitiger betriebsspezifischer Anpassung der Ventilhübe bis hinunter zum Nullhub. Die beiden Einlassventile werden bei Bedarf mit unterschiedlichen (Ventil-)Erhebungskurven angesteuert. Diese asymmetrische Öffnung der Einlassven- tile führt zu einer besseren Verwirbelung der Frischgasladung im Brennraum.
Ein weiterer Vorteil des Systems ist laut KSPG das sehr geringe Reibleistungsniveau durch den Einsatz einer Wälzlagerung möglichst vieler Kontaktpunkte innerhalb des Ventiltriebs. Falls gewünscht, kann mit dem System sogar eine Zylinderabschaltung realisiert werden. Wenn der Zylinderkopf entsprechend angepasst wird, kann Univalve auch in bestehende Motoren integriert werden.
Sparpotenzial erheblich
Nur auf der Einlassseite eingesetzt, hat die Technik im Versuch den Teillastverbrauch konventioneller Otto-Saugmotoren bei bestimmten Betriebspunkten bis in den zweistelligen Prozentbereich hinein abgesenkt. Insgesamt sollen im NEFZ-Zyklus immerhin 8 % Sparpoten- zial möglich sein. Bei großvolumigen Motoren ist das Einsparpotenzial mit Univalve laut Dismon noch größer, da hier durch den häufigen Teillastbetrieb erhebliche Drosselverluste kompensiert werden können. Neben dem Kraftstoffverbrauch verbessert das System gleichzeitig auch das Drehmoment sowie die Leistung. Der Motor kann also bei gleichen Fahrleistungen verkleinert werden und erschließt durch dieses Downsizing weitere Verbrauchsvorteile.
Auch die Auslassseite beeinflusst die Ladungswechselarbeit und den Verbrauch erheblich, sodass zumindest ein Nockenwellen-Phasenversteller vorhanden sein sollte. Ein Motor mit festen Auslasssteuerzeiten kann das hohe Potenzial zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs nicht voll ausschöpfen. Vorteilhafter ist es somit, wenn das Univalve-System auch auf der Auslassseite eingebaut wird. Dies gilt insbesondere für turboaufgeladene Vierzylinder-Ottomotoren. Der klassische Zielkonflikt zwischen günstigem Teillastverbrauch und hohem Drehmoment im unteren Drehzahlbereich kann deutlich aufgeweicht werden. Im Versuch an einem aufgeladenen 2,0-l-Vierzylinder-Ottomotor wurde der Kraftstoffverbrauch in einem repräsentativen Teillastbetriebspunkt im Vergleich zu dem gedrosselten Betrieb mit Direkteinspritzung um 9 % reduziert. Gleichzeitig wurde das Drehmoment im für dieses Motorkonzept wichtigen, unteren Drehzahlbereich signifikant angehoben.
Dismon fasst die Vorteile so zusammen: „Mit Univalve haben wir ein mechanisch robustes System, das auch von der Einbausituation sehr günstig ist. Im Vergleich zum Wettbewerb bietet es aus unserer Sicht den großen Vorteil, dass wir durch die rein mechanische Auslegung einen zuverlässigen Betrieb über die gesamte Lebensdauer des Motors wesentlich leichter darstellen können, als es bei hydraulischen Systemen der Fall ist.“
Erprobungen des Systems am Vollmotor wurden bereits mit ersten Kunden durchgeführt und haben bei hoher Betriebssicherheit attraktive Potenziale zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der Emissionen gezeigt. KSPG sieht die vollvariable Ventilsteuerung als eine der zentralen Schlüsseltechnologien zur CO2-Reduzierung im Automobilbereich und ist davon überzeugt, dass diese Technik sowohl bei bereits bestehenden als auch künftigen Ottomotoren eine immer größere Rolle spielen wird.
Selbst für Dieselmotoren wäre der variable Ventiltrieb eine Option. Variable Nockenwellen sind im Dieselmotor bereits in Serie. Auch für Themen wie interne Abgasrückführung bei Kaltstart, Partikelfilterregenerierung und im Transientbereich – was von einigen Unternehmen bereits erwogen wird – könnte das Univalve-System einen wertvollen Beitrag leisten.
KSPG;
Telefon: 07132 33-0; E-Mail: info@kspg.com
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