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Bosch legt die Batterie trocken

Festkörper-Batteriezellen könnten die Energiedichte mehr als verdoppeln und die Kosten halbieren
Bosch legt die Batterie trocken

Die Lithium-Ionen-Technik bietet noch großes Optimierungspotenzial bei der Energiedichte, das Ende der Fahnenstange scheint aber schon absehbar. Bosch forscht daher schon längst an Technologien für die Post-Lithium-Ionen-Ära.

Der Autor: Hartmut Hammer, freier Mitarbeiter der AutomobilKonstruktion

Bei der Batterietechnik fährt Bosch bewusst zweigleisig. Eine Entwicklungsrichtung deckt das Unternehmen gemeinsam mit GS Yuasa und dem Industriekonzern Mitsubishi Corporation mit dem 2014 gegründeten Joint Venture Lithium Energy and Power GmbH & Co. KG ab. Es soll die Performance von Lithium-Ionen-Batterien verbessern – vorrangig für Mild- und Plug-in-Hybrid-Antriebe mit 48 Volt oder Hochvolt-Spannung. Für diesen Zweck sind eine schnelle Rekuperation und Energieabgabe gefragt, wofür sich laut Bosch die Lithium-Ionen-Technik auch künftig gut eignen wird. Ziel der Joint Venture-Partner ist unter anderem, die Energiedichte von heute etwa 150 Wh/kg mittelfristig zu verdoppeln. Das technische Limit sieht der Stuttgarter Automobilzulieferer bei etwa 350 Wh/kg.
Als zweites Hauptziel sieht Bosch eine Reduktion der Kosten entlang der gesamten Prozesskette. 8 % der Kosten könnten durch weniger kostspielige Materialien und höhere Einkaufsvolumina eingespart werden. Eine verbesserte Aufbereitung und Produktion der Zellmaterialien und Zellkomponenten soll – neben einer wesentlich höheren Energiedichte – noch rund 30 % Kosteneinsparung ermöglichen. Und in der eigentlichen Zellenproduktion sieht das Unternehmen weitere 13 % Einsparpotenzial.
Gebundener Elektrolyt schafft mehr Sicherheit
Zweiter Schwerpunkt der Antriebselektrifizierung von Bosch sind Hochvolt-Batterien für reine Elektroantriebe, eventuell auch für Plug-in-Hybride. Hier sieht das Unternehmen die Festkörper-Batterie als eine Schlüsseltechnik an, um Anforderungen wie die eher kontinuierlichen Lade- und Entladevorgänge im Hochleistungsbereich zu erfüllen. Vor etwa einem Jahr hat Bosch deshalb das US-amerikanische Start-Up Seeo Inc. übernommen, das an Festkörper-Batteriezellen forscht. „Bisher sind wir davon ausgegangen, im Laufe dieser Dekade die Energiedichte der Batterien zu verdoppeln und ihre Kosten zu halbieren. Mit der Zelltechnologie von Seeo sehen wir das Potenzial, die Energiedichte um mehr als das Doppelte zu steigern und die Kosten zu halbieren“, erklärt Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH. Andere Techniken mit Serienpotenzial könnten Lithium-Schwefel- und Lithium-Luft-Zellen sein.
Wesentlicher Vorteil der Festkörper-Batterietechnik ist nach Angaben der Stuttgarter Fachleute der Entfall des flüssigen Elektrolyten in der Batteriezelle. Denn bei einer herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterie muss die Anode zum Schutz mit einem Graphitmantel überzogen sein, damit es nicht beim Kontakt mit dem Elektrolyten zu unerwünschten Reaktionen kommt. Diese Lithium-Graphit-Anode weist aber eine deutlich geringere elektrische Speicherfähigkeit als eine rein metallische Lithiumanode auf, mit der eine Energiedichte von bis zu 400 Wh/kg möglich sein könnte. „Die reine Lithium-Anode ist ein großer Innovationssprung im Aufbau der Batteriezelle“, bestätigt Denner.
Das Fehlen eines flüssigen Elektrolyten hat zweitens weitreichende Auswirkungen auf den Batterieaufbau. Denn die Lithium-Atome und ein flüssiger Elektrolyt würden unter natürlichen Umgebungsbedingungen sowie bei Eindringen von Wasser oder Festkörpern sofort miteinander reagieren. Deshalb ist für die Gehäuse von Lithium-Ionen-Batterien besondere Sorgfalt erforderlich. Der in einem Polymer-Festkörper gebundene Elektrolyt hingegen erwies sich bei den bisherigen Prototypen laut Bosch als nur äußerst schwer entflammbar. Deshalb müssen ihre Gehäuse längst nicht die gleiche Festigkeit und Dichtheit aufweisen. Dieser konstruktive Vorteil wirkt sich bis in die Fahrzeugstruktur aus, die nicht mehr so konsequent auf alle Crash-Eventualitäten ausgelegt sein muss.
Zyklenfestigkeit gegeben
Das Festkörper-Prinzip hat nach Angaben von Bosch in den Prototypenzellen seine Automotive-Tauglichkeit grundsätzlich bewiesen. Die Zyklenfestigkeit erreicht inzwischen schon die Bosch-intern geforderten 1000 Zyklen. Das würde bei einer Batterie mit einer Mindestreichweite von 300 km einer Gesamtfahrleistung von 300 000 km entsprechen (= Fahrzeug-Lebensdauer). Außerdem äußert sich Bosch zuversichtlich, dass Ende des Jahrzehnts die Lithium-Polymer-Zellen soweit ertüchtigt seien, dass auch nach dem tausendsten Lade- und Entladevorgang noch 80 % der nominellen Batteriekapazität verfügbar sein werden. Zudem wollen die Forscher die Zeit zum Aufladen deutlich verkürzen, Ziel sind 75 % Aufladung in weniger als einer Viertelstunde. Die größte Herausforderung dürfte der optimale Kathoden-Werkstoff als Partner der Lithium-Anode sein. Bosch setzt hier auf eine Nickel-Kobalt-Verbindung.
Ebenfalls noch nicht absehbar sei die Komplexität der Batterieproduktion, wobei der trockene Aufbau der Festkörper-Zelle einfachere Produktionsprozesse als bei der aufwendigen „nasse Fertigung“ von Lithium-Ionen-Zellen erwarten lasse. Konkret absehbar ist hingegen schon, dass die Festkörper-Zelle sich auf einem höheren Temperaturlevel (etwa bei 80 °C) wohlfühlt als eine „nasse“ Lithium-Ionen-Zelle (10 bis 30 °C). Dies geht mit einer erhöhten thermischen Stabilität bis zu einer Temperatur von 180 °C einher. Eine aufwendige Kühlung ist somit nicht erforderlich, dafür müssen die Techniker neue Antworten bezüglich der Erwärmung finden.
Robert Bosch GmbH, Stuttgart, kontakt@bosch.de, wwww.bosch.de

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