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Plötzlich ist der Motor kleiner

Zylinderabschaltung: sinnvoll in der Teillast
Plötzlich ist der Motor kleiner

Weniger ist mehr: Auf kaum eine Technik trifft diese Standardfloskel so zu wie auf die Zylinderabschaltung. Denn weniger aktive Zylinder führen in vielen Fahrsituationen zu mehr Kraftstoffeffizienz. Das sehen offenbar immer mehr OEM auch so.

Der Autor: Hartmut Hammer, freier Mitarbeiter der KEM Automobilkonstruktion

Die ab 2021 geltenden Strafzahlungen für einen zu hohen CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotten zwingen die OEMs, zunehmend auch kostspieligere CO2-Minderungsmaßnahmen umzusetzen. Wie etwa die Zylinderabschaltung (ZAS). Sie ist vor allem in der Teillast sinnvoll. Bei konstant Tempo 100 benötigt ein Pkw nur zwischen 20 und 25 kW Leistung, um seine Geschwindigkeit zu halten. In diesem Fall wird – in der Regel durch Verschließen der Ein- und Auslassventile und Nicht-Zünden der Zündkerze – ein Teil der Zylinder deaktiviert. Dadurch arbeiten die noch aktiven Zylinder in Betriebspunkten mit höheren Lasten, was unter anderem die Drosselverluste senkt und für einen besseren Wirkungsgrad sorgt.
Schon im vergangenen Jahrtausend war die ZAS kurz in Mode, aber damals noch zu teuer. Volkswagen hat jetzt die Zeichen der Zeit wieder erkannt und rüstet seit 2012 einen Vierzylinder-Ottomotor mit 1,4 Liter Hubraum und den V8-Otto mit vier Liter Hubraum optional mit ZAS aus. Auch das 2016 als sogenannter Weltmotor präsentierte neue 1,5-Liter-Aggregat wird diese Technik optional aufweisen. Bei Mercedes-Benz, auch schon um die Jahrtausendwende ein Anwender von Motoren mit ZAS, treibt man mit einem neuen V8-Ottomotor dieses FDH-Prinzip ab 2017 in der S-Klasse ebenfalls wieder voran, ebenso bei einigen AMG-Modellen.
Know-how aus Deutschland
Auch Zulieferer mischen mit. So hat Rheinmetall Automotive (früher Kolbenschmidt Pierburg) Ende 2016 angekündigt, mit einem asiatischen OEM im Jahr 2019 eine vollvariable mechanische Ventilsteuerung mit Abschalt-Option in einem Vierzylindermotor in Serie zu bringen. Etwas seriennäher (Markteinführung Anfang 2018 im Ford Fiesta) ist ein Projekt von Schaeffler und Ford. Gemeinsam wagte man sich beim aufgeladenen 1,0-Liter-Dreizylinder-Ottomotor erstmals an eine ungerade Zylinderzahl. Herausgekommen ist ein Aggregat, bei dem mithilfe von elektrohydraulisch schaltbaren Rollenschlepphebeln der erste Zylinder bei Bedarf innerhalb von 14 Millisekunden deaktiviert werden kann. Dieses Wechselspiel ist abhängig von der Fahrtgeschwindigkeit, der Drosselklappenstellung und Motorlast – bis zu Drehzahlen von 4500 min-1 möglich und soll unter dem Strich bis zu 6 % Kraftstoff einsparen.
Noch im gleichen Jahr wird Schaeffler nach eigenen Angaben einen weiteren Serienstart für einen Dreizylindermotor mit ZAS begleiten. Schon 2017 wird man Komponenten für die ZAS in einem Vierzylindermotor liefern, ab 2021 für eine Achtzylinder-Anwendung.
Alternierend statt fest
Was die bisher erwähnten Systeme eint, ist die Deaktivierung der stets gleichen Zylinder. Es geht aber auch variabler. Ein erster Schritt könnte die Idee von Schaeffler sein, bei einem Sechszylindermotor mithilfe der hauseigenen elektrohydraulischen Ventilsteuerung zuerst zwei und danach nochmals zwei weitere Zylinder zu deaktivieren.
Eine weitere Idee von Schaeffler ist bei Dreizylindermotoren ein rollierendes Prinzip, bei dem der Reihe nach jeder Zylinder periodisch stillgelegt wird. Dieser alternierende Wechsel von aktivem und nichtaktivem Zylinder entspricht quasi einem 1,5-Zylinder-Motor und bietet laut Schaeffler ein etwas größeres Kraftstoff-Sparpotenzial als die statische Abschaltung nur eines Zylinders. In Kombination mit einem Zweimassen-Schwungrad samt Fliehkraftpendel sollen nach Angaben von Schaeffler die Anregungen praktisch auf dem gleichem Niveau liegen wie bei einem Dreizylinder-Vollmotorbetrieb unter Volllast. Allerdings erfordert die hardwareseitig serienreife, alternierende ZAS noch einen deutlich höheren Regelungsaufwand, weshalb sie laut Ford für das Dreizylinder-Serienprojekt verworfen wurde.
Kommt die ganz große Freiheit?
Noch größere gestalterische Freiheiten könnte in Zukunft eine Technik von Delphi bieten. Der Automobilzulieferer hat sich am Technologieunternehmen Tula aus dem Silicon Valley beteiligt, das nach eigenen Angaben die erste vollvariable dynamische Zylinderdeaktivierung entwickelt. Dynamic Skip Fire (DSF, dynamisch aussetzende Zündung) basiert auf Softwarealgorithmen, die in Echtzeit vor jedem Verbrennungszyklus entscheiden, welche Ein- und Auslassventile per Öldruck und Rollenschlepphebel aktiviert oder deaktiviert werden. Im Prinzip könne man mit DSF einen Motor je nach Lastanforderung quasi vollvariabel mit weniger als einem bis hin zu acht aktiven Zylindern betreiben, so die Delphi-Verantwortlichen.
Bei einem Technologieträger mit 1,8-Liter-Vierzylinder-Ottomotor habe man mit DSF einen bis zu 10 % geringeren Kraftstoffverbrauch erreicht. In Verbindung mit einer 48-Volt-Mildhybridisierung seien sogar bis zu 20 % weniger CO2 möglich. DSF könnte Anfang des nächsten Jahrzehnts in Serie gehen, heißt es bei Delphi. jpk
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